Liebe und Treue

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tochteralice Avatar

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das sind zwei Begriffe, die Olga prägen, nicht zuletzt die Treue zu sich selbst und zu ihren Ansichten.

Eine Jugend in schweren Zeiten ist es, die Olga erlebt, in der es sie von Schlesien nach Pommern verschlägt, in der sie Herbert und Viktoria kennenlernt. Die sind auch anders, aber anders anders als Olga - während diese schon immer knapsen musste, sind die beiden Geschwister reich, zumindest wohlhabend. Und irgendwann wird dies für Viktoria auch wichtiger als die Freundschaft zu Olga. Aber nicht für Herbert. Der hält ihr die Treue.

Olga ist anders, sie schaut gern zu, zumindest als Kind. Auch später hat sie Spaß am Schauen, aber nicht am Zuschauen, denn sie weiß genau, was sie will und hat ihren eigenen Kopf: Sie setzt sich schon früh gegen ihre Großmutter zur Wehr, die sie zu einer Helga, einer mit einem deutschen Namen machen will und sie bemüht sich eigenmächtig um eine Stelle an einer weiterbildenden Schule.

Sie schafft es, Lehrerin zu werden. Aber schafft sie es auch, ihren Traum von einem Leben mit Herbert zu verwirklichen?

So viel sei gesagt: Olga ist ein aufrechter Mensch und sie bleibt es, auch wenn sie in ihrem langen Leben viele Verluste, bspw. den ihres Gehörs, hinnehmen muss. Olga ist ein stiller Mensch, aber keiner, der ungesehen und ungehört bleibt. Und einer, der fast das ganze 20. Jahrhundert miterlebt - zumindest bis in die 1970er Jahre - und sich so seine Gedanken darüber macht. Bernhard Schlink beschreibt ihr Leben und das Drumherum behutsam, wie es so seine Art ist und hat mit "Olga" einen eindringlichen Roman geschaffen, in dem er einmal mehr Frauen eine Stimme gibt.

Eine ganz andere, als es im "Vorleser" der Fall war, gewissermaßen eine alltäglichere. Aber sich darauf zu verlassen, dass Olga im Romanverlauf so bleibt, wie wir sie kennengelernt haben, das wäre falsch. Denn wer die Romane von Bernhard Schlink kennt, weiß, dass er immer für eine Überraschung gut ist, auch wenn Teile davon diesmal sehr vorhersehbar sind.

Dennoch ein Lesegenuss, wenn man den eher zurückgenommenen, aber keineswegs zurückhaltenden Stil des Autors so wie ich zu schätzen weiß! Auch Deutsch- und Geschichtslehrer könnten hier hellhörig werden, bietet doch dieser in Stationen deutscher Entwicklungen im 20. Jahrhundert eingebettete Roman jede Menge Stoff für Diskussionen und weitere Recherchen!