Olga - ein Frauenleben

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tsubame Avatar

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Ich kenne den "Vorleser" als Film, habe aber noch kein Buch von Bernhard Schlink gelesen. Dementsprechend war ich neugierig auf diese Geschichte.


Die Sprache Bernhard Schlinks ist kurz und prägnant als er seinen Lesern  die Hauptprotagonistin Olga und ihren Jugendfreund und späteren Geliebten Herbert vorstellt.
Olga ist diejenige, die schon als Kind steht und schaut, während  Herbert eine Unruhe in sich trägt, die ihn zum Laufen drängt.
Beide kommen aus unterschiedlichen Welten - die eine stammt aus ärmlichen Verhältnissen und muss nach dem Tod ihrer Eltern bei der gefühlskalten Großmutter aufwachsen, der andere ist Sohn eines wohlhabenden Fabrik- und Gutsbesitzers, ein Hans Guck-in-die-Luft, der von einer endlosen Weite träumt und davon, mit der Sonne zu rennen.
Obwohl die beiden so unterschiedlich sind, wird aus ihnen ein Liebespaar - gegen den Willen von Herberts Familie, die Herbert mit der Androhung von Sanktionen unter Druck setzt. Doch Herbert bleibt seiner Olga treu, selbst als es ihn das erste Mal in die Ferne zieht. Er meldet sich freiwillig zur Schutztruppe nach deutsch-Südwestafrika. Weitere Reisen werden folgen. Von der letzten - in die Arktis - wird er nicht zurückkehren.
Währenddessen macht Olga eine Ausbildung zur Lehrerin und wartet auf ihren Geliebten, der sie über seine Pläne im Unklaren gelassen hat - ein Mann, den sie geliebt, aber nie wirklich verstanden hat.


Im 2. Teil des Buchs lernt man Ferdinand kennen, in dessen Leben Olga später als Näherin tritt, womit sie ihren Lebensunterhalt verdient als sie ihre Stelle als Lehrerin und auch ihr Gehör verloren hat. Für ihn ist sie "Fräulein Rinke", die er beobachtet und mit der er sich anfreundet. Später macht er sich auf die Suche nach den Briefen, die Olga jahrelang an ihren Herbert geschrieben hat, als dieser in Eis und Schnee verschwand.


Der dritte und letzte Teil des Buchs besteht aus eben diesen Briefen und zeigt Olga, bzw. Fräulein Rinke, noch einmal von einer anderen Seite. In diesen Briefen schildert sie ihre Gefühle, zankt mit Herbert, hadert, versöhnt sich wieder und enthüllt ganz nebenbei noch ein paar Geheimnisse.


Obwohl das Buch nach dem ersten Teil merklich an Spannung verliert, hat es mir doch alles in allem gut gefallen. Ich denke, das liegt zum einen daran, dass ich die Person der Olga als absolut glaubwürdig empfunden habe und das, obwohl sie der Feder eines Mannes entspringt. Es ist das Schicksal einer Frau, die zwei Weltkriege überlebt und wie viele andere jahrelang auf ihren Liebsten wartet - hoffend und bangend bis zum Schluss.
Die Geschichte ist vielleicht nicht spektakulär, aber sie rührt einen eben doch und manches darin hat mich zum Nachdenken gebracht. Und das kann bei der Masse an Büchern, die jährlich auf den Markt kommen, längst nicht jedes Buch von sich behaupten.