„Opfertod“ von Hanna Winter

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„Opfertod“ von Hanna Winter, Taschenbuch: 320 Seiten, Verlag: Ullstein Taschenbuch (17. Februar 2012)

Lena Peters, Kriminalpsychologin und Profilerin mit traumatischem Erlebnis in der Vergangenheit, wird zu einem neuen Fall nach Berlin gerufen. Dort trifft sie auf ein Team mit unterschiedlichen Charakteren, die sie nicht alle wohlwollend aufnehmen, und einen psychopathischen Killer, der bereits zwölf junge Frauen getötet und verstümmelt hat. Die Ermittlungen stagnieren, zumal der Killer in immer kürzeren Abständen tötet und keine Fehler macht. Immer fehlt den Opfern ein bestimmtes Körperteil: die Lippen, die Füße, die Brüste. Zwar überlebt zunächst eines der Opfer, und Lena kann die junge Frau befragen, doch ist sie so schwer verwundet, dass sie schließlich stirbt. Im Laufe der Zeit bekommt Lena heraus, dass ihre Vorgängerin auf mysteriöse Weise verschwunden ist und dass im Team jemand gegen sie spielt. Sie erhält jedoch auch unerwartet Hilfe von ihrem neuen Nachbarn Lukas und vor allem von Wulf Belling, einem Ex-Polizisten, der schon länger an der Sache dran ist. Gemeinsam ermitteln die beiden, als Lena zwischenzeitlich abgezogen wird sogar auf eigene Faust, und verstricken sich immer tiefer in den Fall, bis Lena selbst zum Opfer wird….

Der Roman besticht durch seinen sachlichen Stil und seine eindringliche Sprache. In knackigen Sätzen und zumeist kurzen Kapiteln werden die Ereignisse im perspektivischen Wechsel chronologisch erzählt. Aus Lenas Sicht lernen wir ihre Gefühle kennen, lesen ihre Gedanken, ziehen ihre Schlussfolgerungen und wissen auch um ihr schreckliches Erlebnis in der Kindheit, den Tod ihrer Eltern bei einem Autounfall.  Sie wird mitten in den Fall ins kalte Wasser hineingestoßen – immerhin sind zu dem Zeitpunkt schon mehrere Leichen gefunden worden und die Polizei tappt im Dunkeln – und versucht nun, sich als Psychologin in die Denkweise des Täters hineinzuversetzen. Gleichzeitig soll sie sich in Berlin einleben und in dem neuen Team behaupten. Zu allem Überfluss taucht auch noch ihre drogenabhängige Schwester mit Kind auf, die ihre Hilfe braucht.

Lena wechselt zwischen Professionalität und Emotionalität, obwohl sie stets bemüht ist, ihre Emotionen zu unterdrücken. Fragen zu ihrem Privatleben lässt sie meist unbeantwortet und denkt sich lieber ihren Teil, Krankenhäuser rufen albtraumhafte Erinnerungen hervor. Wegen des vielen Bluts beim Unfall unterdrückt sie einen ständigen Waschzwang, der bei Krisensituationen noch verstärkt wird. Rein psychologisch ist sie also ebenfalls durchaus „angeschlagen“.

Parallel zu Lenas Aktivitäten entfaltet sich aus der Perspektive des Täters heraus dessen ganze Entsetzlichkeit. Beinahe wissenschaftlich, auf jeden Fall sachlich-detailliert wird aus seiner Sicht erzählt, wie er seine Opfer findet und mit sich lockt, wie er sie schließlich „benutzt“, um sein Kunstwerk zu vollenden.  Denn er sieht sich als Künstler, der ein großes Werk vollenden muss. Aus seiner Sicht alles völlig „normal“. In diesen Sequenzen erfährt man auch einiges über seine Kindheit und seine Gefühle, aus welchen sich auch seine Psychose erklärt. Die beiden parallel laufenden Perspektiven – die des Jägers und die des Gejagten, fügen sich schließlich zusammen, und während Lena selbst zur Gejagten wird, nähert sich der Leser atemlos Seite um Seite dem Finale!

**Fazit** : Ein solider und spannender Thriller mit Gänsehautgarantie, der sich gut und flüssig liest. Ein tolles neues Ermittlerteam, beide mit vielschichtiger Persönlichkeit und eigener Geschichte, sich perfekt ergänzend. Ich persönlich finde die Sichtweise einer Kriminalpsychologin sehr interessant, ich will wissen, wie der Mörder tickt und was das für ein Mensch ist, was er in der Vergangenheit erlebt hat und was seine Motivation ist. Da geht´s mir wohl wir ihr: „…die Abgründe der menschlichen Seele üben eine gewisse Faszination auf mich aus.“