Spannendes, lehrreiches und unterhaltsames Sachbuch

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Das vorliegende Buch „Original Meisterfälscher“ von Noah Charney, dem auf Kunstkriminalität spezialisierten Kunsthistoriker, Initiator und Präsidenten von ARCA(Assosiation for Research into Crime against Art), ist ein Meisterwerk an sich, denn es enthüllt nicht nur plausible Gründe und Methoden der Fälscher, sondern stellt spannende Fragen, gibt zahlreiche Beispiele, liefert Vergleiche und erklärt, weshalb viele Fälschungen in etlichen Bereichen im Umlauf sind.
Das Werk ist klar konzipiert: Es gibt 8 Kapitel, die Gründe wie Z.B. Genie, Stolz, Ruhm, Geld, Macht, etc., benennen und diese kurz und prägnant, auf 1/2 bis ¾-Seitenlänge ausführen. Danach werden die Thesen anhand von Beispielen, den entsprechenden Bildern, Zeichnungen, Fotos, auf 20-30 Seiten pro Kapitel erläutert. Es wird Klartext geredet, und auch dem Leser die Möglichkeit gegeben, zur eigenen Meinung zu gelangen, wie sich manche Originale und Fälschungen unterscheiden, da Abbildungen einiger solcher Paare nebeneinander auf einem Blatt präsentiert erscheinen. Das Ganze ist in einen sinnvollen Rahmen gesetzt: „Die Welt möchte getäuscht werden“ (Zu Beginn), „dann sei sie getäuscht.“ (Fazit).
Man erfährt nicht nur jede Menge Tipps und Tricks, wie die Fälscher arbeiteten, wie sie die Bilder, bzw. Skulpturen Jahrhunderte alt aussehen lassen konnten, man erhält auch die Titel der weiterführenden Literatur, die als Quellen zur Stützung der Thesen und Fakten dienen,
wenn man noch tiefer in die Materie einsteigen möchte. Manche Bücher sind von den berühmten wie erfolgreichen Meisterfälschern höchstpersönlich geschrieben worden, z.B. Hebborn oder Han van Meegeren, die ihre Geheimnisse mit dem Publikum teilen.
Spannende wie dramatische Geschichten werden erzählt, die die Meisterwerke, ihre Kopien und die Fälscher umgeben, wie auch gute Fragen aufgeworfen, e.g. ab wann ist Fälschung eine Fälschung, z.B. wenn es um die Bilder geht, die der Künstler mit großem Namen (z.B. Salvador Dalí ) in Auftrag einem Künstler aus seiner Werkstatt (Pixot) gegeben und diese dann unter Dalí Namen der Welt präsentiert hat. Handelt es sich dann um eine Fälschung, auch wenn Dalí darunter steht und die Bilder in seinem Sinne ausgeführt worden sind? S. 71.
Auch das Beispiel mit der Basquiat-Tür ist bemerkenswert: Die Kommission, die die Echtheit des Werkes prüfen sollte, erklärte das Original für eine Fälschung aus moralischen Gründen, um es nicht unnötig aufzuwerten, da die Gefahr hoch erschien, dass der Besitzer, ein ehem. Drogendealer, vom Verkauf des Werkes sehr gut profitieren könnte.
Es geht aber nicht ausschließlich um Gemälde, Zeichnungen oder Skulpturen: Beispiele von Weinfälschung, von gefälschten mittelalterlichen Schriften (Konstantinische Schenkung), oder moderneren Schriftstücken (Hitlers Tagebücher), oder von gefälschten Sprachen oder Reliquien (Turiner Grabtuch) wurden angesprochen. Auch von Shakespeare und seiner wahren Identität wie seinen Werken ist die Rede.
Der Autor weist auch auf die Gründe hin, weshalb eine Fälschung lieber doch nicht als solche entdeckt werden möchte: „Für Experten ist es eine Todsünde, ein Werk als original zu bezeichnen, das sich später womöglich als falsch entpuppt. Ein solcher Fehler kann Karrieren beenden, weshalb die Tendenz besteht, unter allen Umständen auf der ersten öffentlichen Aussage zur Authentizität zu beharren. Auf dem Spiel stehen schließlich Stolz und Reputation, also zieht die Kunstwelt lieber in den Krieg als einen Fehler einzugestehen.“ S. 90.
Die liebevolle Ausstattung des Buches wird dessen Besitzer freuen: Die Seiten sind aus gutem weißem Papier, die Abbildungen und Fotos in Höchstauflösung, die Kapitel sind voneinander mit einem farbigen (grauen bis tiefblauen) Blatt voneinander getrennt, die glatte Oberfläche des Schutzumschlages fühlt sich angenehm an, der Titel hebt sich haptisch wie optisch vom übrigen Bild ab. All das spricht dafür, dass das Buch als Geschenk eine gute Wahl darstellt. Der Inhalt steht dem Äußeren im nichts nach.
Sehr gut gefiel mir die Haltung des Autors. Er geht kritisch mit der Handhabe der Echtheit um und empfiehlt auch den Lesern und Kunstkäufern dies zu tun. „Zu viel Vertrauen in die Aussagen anderer kann in die Irre führen.“ S. 252.
Das einzige, was mich etwas gestört hat: Vieles wirkte eher angerissen. Einige Themen, die mich besonders interessierten, waren recht kurz abgehandelt. An sich ist verständlich, denn sonst wäre es ein Foliant von mehreren hunderten Seiten geworden, wenn man alles in aller Ausführlichkeit behandelt hätte. Bloß die Meinung des Autors zu einigen Punkten habe ich manchmal vermisst.
Fazit: Besonders für Kunst- und Kunstgeschichteliebhaber dürfte es eine spannende wie aufschlussreiche Lektüre sein. Selbst die ausgewiesenen Kenner werden das eine oder das andere für sich neu entdecken können. Aber auch für diejenigen, die gute Geschichten aus dem Leben mögen, ist es eine unterhaltsame Lektüre.
Ein gelungenes und lehrreiches Werk, das ich gerne gelesen habe und gut weiterempfehlen kann.