Nostalgisch

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Wie ist es, wenn man während der 1970er Jahre auf einer Insel aufwächst? Und was, wenn diese Insel dann auch noch Sylt ist und die Eltern Inhaber eines gut gehenden Pelzgeschäftes? Susanne Matthiessen erzählt davon, wie sie es erlebt hat und vor allem, was sie erlebt hat. Zwischen freiheitliebenden Hippies, Promis aus Funk und Fernsehen und den eigenen dauerhaft auf’s Geschäft bedachten Eltern wurde sie auf einer der schönsten deutschen Inseln groß. Sie ist ein Teil der Insel und die Insel ein Teil von ihr.
Sehr eindrucksvoll erzählt sie von Kunden, Geschäftspartnern, Gästen und den großen und kleinen Katastrophen, die mit allem einher gehen. Oft kann man dabei ein Augenzwinkern herauslesen. Matthiessen versteht es den richtigen Ton zu treffen und es fällt nicht schwer, sich die bunte, verrückte Welt von damals vorzustellen. Da Matthiessens Eltern früher Inhaber eines Pelzgeschäftes waren, wird auch viel über die Beschaffenheit, Qualität und Verarbeitung von Fellen und Pelzen berichtet. Dies geschieht mit einem fast wehmütigen Unterton, als wünsche man sich die Glanzzeit der Insel zurück. Da es heute geradezu verpöhnt ist, Pelz zu tragen, finde ich diese Nostalgie etwas schwierig und aus meiner Sicht nicht angebracht. Sicher sind Echtpelze von ganz anderer Handhabung und Qualität als das künstliche Pendant aber man sollte meiner Ansicht nach lieber froh sein dass dieses Kapitel der Tierquälerei hinter uns liegt als es nostalgisch zu verklären.
Abgesehen davon ist das Buch durchaus sehr unterhaltsam und sehr gut zu lesen. Man möchte es gar nicht mehr aus der Hand legen, weil es so unterhaltsam ist.
Im letzten Kapitel freilich, das sich mehr der aktuellen Situation der Insel widmet, werden durchaus die ernsten Töne in den Vordergrund geschoben und der „Ausverkauf der Insel“ durchaus kritisch betrachtet. Wo fängt der erste Insulaner an, wo hört er auf und was tut er gegen die eigene Vertreibung und das eigene Aussterben? Das letzte Kapitel ist das ernsteste des Buches, wobei auch erwähnt werden muss, dass die Autorin auch die anstrengenden Seiten der 70er Jahre nicht verschweigt. Allerdings hält sich alles gut die Waage und bietet einen offenen und hautnahen (so fühlt es sich zumindest an) Einblick in das Inselleben, wie es wohl nur eine Syltgeborene geben kann.
Fazit: Sehr eindrückliches, faszinierendes Portrait des Sylts der 1970er Jahre. Mir war es gegenüber der Pelzindustrie nicht kritisch genug, auch wenn der Pelzmantel vielleicht mal zu Sylt gehört haben mag wie Wind und Nordsee.