Politische Literatur

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Leerer Stern
sapere_aude Avatar

Von

„Palast der Miserablen“ schildert Kindheit und Jugend des Irakers Shams Hussein bis zu dessen Verhaftung. Die Information, dass er in Haft genommen wird, greift insofern nicht vor, als zwischen die Kapitel des Buches immer wieder Berichte über seinen Aufenthalt im Gefängnis eingeschoben werden, die Nöte, Krankheiten und Hunger während der Haft beschreiben.

Sham Hussein wird als Sohn schiitischer Iraker im Süden des Landes geboren, wo er die ersten Jahre seines Lebens in einem kleinen Dorf in der Nähe der Grenze zu Kuwait verbringt. Sein Vater wird in verschiedenen Kriegen als Soldat eingezogen, seine Mutter kümmert sich um die Versorgung der Familie. Als die politische Lage zu gefährlich wird, zieht die Familie, zu der auch noch eine Schwester gehört, nach Bagdad, wo sie schließlich in einem Slum, dem sogenannten „Blechviertel“ nahe der städtischen Müllhalde ein Haus errichtet. Das Viertel wird schließlich legalisiert und an die Infrastruktur angeschlossen – von der Innenstadt Bagdads und einer funktionierenden Stadt bleibt es trotzdem weit entfernt. Shams geht zur Schule und unterstützt die Familie von Kindheit an mit unterschiedlichen Jobs, bis er schließlich seine Liebe zur Literatur entdeckt und mit Büchern handelt. Es ist eine Liebe, die ihn zugleich rettet und gefährdet.

Abbas Khider, so hat man beim Lesen den Eindruck, geht es mit dem Buch in erster Linie darum, Wissen über den Irak zu vermitteln. Die Sprache ist bei diesem Roman zweitrangig. Wissen über den Irak vermittelt er aber gut und fast besser, als es jede politische Berichterstattung in der Zeitung leistet, denn es geht hier nicht um Militärstrategien, Atomwaffen oder Terrorismus, sondern um das Leben der Menschen in einer Zeit, in der der Irak zum Zentrum weltpolitischer Entscheidungen und Ziel der Bomben verschiedener westlicher Staaten – allen voran die USA – wird.

Darüber hinaus stellt der Roman die Frage nach der Bedeutung von Literatur. Bücher und ein literarischer Zirkel, dem titelgebenden „Palast der Miserablen“, werden essentiell für Shams, um durch die Pubertät zu gelangen, sich abzulenken und um in einer politisch absurden und korrupten Gesellschaft zu überleben, ohne vollends zu verzweifeln oder zu rebellieren. Gleichwohl sind die meisten Bücher, die er liest, mit denen er handelt und über die er spricht, verboten und derartige Handlungen werden von der Regierung geächtet. In diesem Spannungsfeld werden die Möglichkeiten von Literatur besonders plastisch und fordern zugleich die Lesenden heraus, ihre Rolle als politischer Mensch zu überdenken.