Erschreckend öde mit gefährlichem Inhalt

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laberladen Avatar

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Darum geht’s:

Ella ist gerade mal 17 und muss sich ganz alleine durchschlagen. Tagsüber geht sie zur Schule, abends verdient sie ihr Geld damit, leicht bekleidet in einem Club zu tanzen. Als ein Fremder auftaucht und behauptet, ihr Vormund zu sein, will sie am liebsten davonlaufen, doch ehe sie sich versieht, hat der Fremde sie in seine Villa verschleppt und seinen fünf Söhnen als neue Schwester vorgestellt.

So fand ich’s:

Ich habe mich wieder an ein Buch herangewagt, bei dem ich schon Zweifel hatte, ob es mir gefallen würde. Und doch habe ich mich bemüht, neutral heranzugehen und der Geschichte eine Chance zu geben. Da ich etwas mehr als üblich auf den Inhalt eingehen werde, hier eine Warnung – der nachfolgende Text enthält Spoiler und wer nicht zu viel über den Inhalt des Buches wissen möchte, sollte erst weiterlesen, wenn er das Buch selbst schon gelesen hat.

Selten ist mir eine Rezension so schwer gefallen wie diese hier. Nicht, weil mir nichts zum Buch eingefallen wäre. Im Gegenteil! Ich habe Seiten über Seiten Beispiele aufgelistet und Szenen hinterfragt und immer wieder festgestellt, dass ich jede einzelne davon in meiner Rezension haben möchte, um sie als schlechtes Beispiel aufzuführen. Weil ich einfach nicht glauben konnte, dass die vielen begeisterten Leser die Masse an Absurditäten übersehen und zu einem positiven Urteil kommen konnten. Und das hat jedes Mal den Rahmen einer Rezension gesprengt und dazu geführt, dass ich oft noch einmal von vorne beginnen musste.

Ellas Mutter ist eine schlechte Mutter, auch wenn Ella sie sehr geliebt hat. Sie beschert ihrer Tochter unnötiger Weise eine harte Kindheit, weil sie aus unerfindlichen Gründen lieber ihre Zeit mit Drogendealern und Mafiakontakten, zu allem Übel auch noch mit Grapschern (ja, Mehrzahl!), die ihre kleine Tochter sexuell belästigen, in bitterer Armut verbringt, als Kontakt zu dem Kindsvater aufzunehmen und die Chance zu haben, ein bisschen (auch finanzielle) Hilfe zu bekommen. Und die Ella damit auch und vor allem die Chance nimmt, ihren Vater kennenzulernen, der wohl ein Schürzenjäger, aber ansonsten kein schlechter Kerl gewesen zu sein scheint. Leider wird dieser Aspekt nicht weiter verfolgt, sondern verläuft im Sande und soll wohl nur den Eindruck erwecken, dass es Ella schwer hatte. Wer sich hierzu tiefere Gedanken machen wollte, bleibt ratlos zurück.

Die Royals, Ellas neue Pflegefamilie, bestehen aus einem hilflosen, trinkenden Vater, der zwar ein Multimillionendollar-Unternehmen für Rüstungsgüter aus dem Boden stampfen kann, aber mit seinen Kindern überhaupt nicht klar kommt. Seine geliebte Frau ist zwei Jahre vorher unter mysteriösen Umständen ums Leben gekommen, man munkelt von Selbstmord. Der Vater schiebt das Benehmen der Söhne auf diesen Umstand, aber ich habe das Gefühl, die Machtansprüche der Royal-Jungs werden schon länger als zwei Jahre perfektioniert. Die Söhne sind ein Pack von Mobbern, die Gewalt für die Lösung aller Probleme halten, die als Teenager schon frauenverachtende Sprüche klopfen und sich auch dazu passend zynisch benehmen, die den Schuldirektor ruhigstellen, indem sie ihm ein paar Dollarscheine in die Jackentasche stopfen und damit durchkommen. Die für Ella und damit auch für uns Leser unbekannte Regeln in der Schule aufstellen, an die sich alle halten müssen und es auch tun. Die Ella zum Erzfeind erklärt haben, wahlweise weil sie eine Schlampe ist (was die Royal-Brüder einfach so ohne Fakten zu kennen mal in den Raum stellen) oder weil sie was mit Royal Senior hat (was die Royal-Brüder einfach so ohne Fakten zu kennen mal in den Raum stellen) oder weil sie an das Geld der Royals will (was die Royal-Brüder einfach so ohne Fakten zu kennen mal in den Raum stellen). Andererseits darf Ella bloß nicht den Familiennamen beschmutzen, indem sie in einer Bäckerei jobbt und wenn ihr mal nicht von den Stiefbrüdern, sondern von Außenstehenden Gefahr droht, packen die Royal-Jungs klassisches Machoverhalten aus und werfen sich für die neue Schwester Fäuste voran ins Getümmel. Oder vielleicht liegt ihr Engagement auch daran, dass sie sich gerne prügeln. Die Brüder sind ziemlich beliebig, haben keine Tiefe und erwecken den Eindruck, Klone des wortführenden Bruders Reed zu sein. Bis auf Bösartigkeiten und übles Benehmen können sie nichts. Oder nein, ich vergaß, sie sind alle wunderhübsch und haben so tolle Muskeln, die sie immer gerne herzeigen. Sympathien konnte ich keine für sie entwickeln, dafür waren sie zu oberflächlich skizziert.

Dazu kommt Brooke, die Freundin von Royal Senior, deren hervorstechende Eigenschaft es ist, meistens Royal Senior, manchmal aber auch einen der Söhne in aller Öffentlichkeit zu begrapschen. Mit dem Vater hat sie sogar mehr oder weniger vor den Augen der Söhne Sex, was im Grunde nur dadurch verhindert wird, dass die Söhne und Ella sich dezent verziehen. Hoppla.

Zwischendrin driftet die Geschichte mal zum oberflächlichen High School Drama ab, was zugegebener Maßen nicht zu meinen Lieblings-Szenarien gehört. Da tummeln sich Charakterschweine in solchen Massen, dass es einfach schon lächerlich ist und die Schwarz-Weiß-Malerei führt dazu, dass so ziemlich alle Personen wie Karikaturen wirken. Besonders viel Handlung außer pubertärem Teenagergeplänkel, tief auf den Hüften hängenden Jogginghosen und einer am Samstagabend im Käfig tanzenden Ella gibt es nicht.

Ella selbst hat ihre Momente, das muss ich zugeben. Sie gibt Kontra, ist schlagfertig und lässt sich nicht unterbuttern, zeigt auch mal Gefühle und gesteht Schwächen ein und bekommt damit mehr Tiefe als der Rest aller Charaktere zusammen. Sie ist mir noch mit Abstand am sympathischsten erschienen.

Allerdings fand ich es völlig unpassend, dass sie als 17jährige Jungfrau ständig den Eindruck erweckt, sie wäre sexuell erfahren und damit den Schlampen-Vorwurf mehrmals absichtlich untermauert. Um zu provozieren, lässt sie vor Reed ihr Höschen fallen, erscheint im knappen Hemdchen zum Frühstück oder schafft eine Situation, die die Söhne glauben lässt, sie habe tatsächlich ein Verhältnis mit dem Vater. Und das nicht genug, nein sie macht nicht nur mit dem Oberschurken Reed rum, in den sie unsterblich verknallt ist, sondern auch gleich noch mit dem Bruder. Ähm ja.

Andererseits wird sie sowohl innerhalb der Royal-Familie als auch außerhalb Opfer sexuell eingefärbter Einschüchterung und Gewalt, die z. T schon zur Anzeige hätte gebracht werden müssen und steckt das sehr locker weg. Leute, das ist nicht alltäglich, das gehört nicht zum normalen Teenagerleben und es ist auch nicht ausreichend „bestraft“, wenn man den Täter bei nächster Gelegenheit lächerlich macht oder ihm eine Faust ins Gesicht schlägt. Ich hätte hier sehr gerne eine deutliche Aussage gehabt, dass dieses Verhalten der Männer nicht in Ordnung ist und dass man derartige Belästigungen nicht einfach so hinnehmen muss. Diese Täter gehören vor Gericht. Aber leider kommt im Buch nicht ansatzweise etwas in diese Richtung.

Dafür bieten sich zwei Royal-Brüder unabhängig von einander als williges Sexopfer für Ella an, wenn sie nur die anderen Brüder und den Vater in Ruhe lässt. Da hat’s mir gleich nochmal die Sprache verschlagen.

Bei Jugendromanen hänge ich immer dem Ideal nach, dass man miterlebt, wie die jungen Menschen erwachsen werden, sich weiter entwickeln, Verantwortung übernehmen und an den Problemen reifen, mit denen sie konfrontiert werden. Ella erwirbt sich die Sympathien ihrer Stiefbrüder dadurch, dass sie das Gesetz in ihre eigenen Hände nimmt und einem Bösewicht ihrerseits übel mitspielt. Für die Royal-Brüder scheinen Schlägereien sowieso die beste Lösung für alles zu sein. Aber ist die Lehre, die die jugendlichen Leser daraus ziehen sollen, dass man am Besten das Gesetz in die eigenen Hände nimmt und schwere Verbrechen in Selbstjustiz bestraft? Nachdem das als die erfolgreiche Lösung geschildert und nicht ansatzweise kritisiert wird, offensichtlich schon.

Insgesamt empfand ich das Wenige an Handlung als unausgegoren, unlogisch und teilweise lächerlich überzogen. Als Ella Reed vorwirft: „ Meine Güte, wieso änderst du andauernd die Regeln? Halt dich von mir fern, Ella. Steig in mein Auto, Ella. Nutz meinen Vater nicht aus. Verdien nicht dein eigenes Geld, Ella. Ich weiß wirklich nicht, was du willst“ und Reed darauf antwortet: „Da sind wir schon mal zwei“, haben die beiden eigentlich ganz gut das komplette Buch zusammengefasst.

Am Schluss werden wir mit einem Cliffhanger alleine gelassen, der dermaßen blöd und konstruiert ist, dass ich schon wieder lachen musste. Die plumpe Absicht, die Leser anzufixen, damit sie Teil 2 kaufen, war so deutlich, dass auch der naivste Leser merken musste, welche Taktik hier verfolgt wird. Zu dumm, dass ich irgendwann im Buch das letzte Bisschen Interesse daran verloren habe und mich die Auflösung dieses Dramas nun wirklich nicht mehr kratzt. Ich kann’s mir auch so vorstellen.

Wer weitere Eindrücke und Zwischenmeldungen zum Buch haben möchte, kann bei Twitter unter dem Hashtag #BBFliest nachlesen. Auf Twitter hat sich auch unter anderem eine Diskussion darüber entwickelt, ob das Krönchen auf dem Cover nicht eher einer Aufreihen von Hinterteilen gleichen würde, mit Reed als dickstem Ober-Arsch. Ein Schelm, der Böses ….