Bessere Idee als Umsetzung

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waldeule Avatar

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Angepriesen wird Paradise City als Zukunfts-Thriller in Deutschland, was mich sehr angesprochen hat. Es wird dabei ein realistisches und vorstellbares nahes Zukunftsszenario entworfen – überschwemmte Küste, riesige Megacitys, verödetes Hinterland und Smartcases als unentbehrliches Kommunikations- und Hilfsmittel bei allen Fragen des Lebens. Dabei wirft das Buch richtige und wichtige Fragen auf: Was sind wir bereit für unsere Gesundheit zu tun, welche Einschränkungen nehmen wir dabei hin? Was ist uns überhaupt unsere Freiheit wert? Wo beginnt menschenwertes Leben und wer entscheidet darüber? …

Durch die Corona-Krise und die damit verbundenen Einschränkungen haben diese Fragestellungen ungewollt einen sehr aktuellen Bezug bekommen, der über viele dieser Fragen nochmal ganz anders und viel intensiver nachdenken lässt.

Die Umsetzung dieser interessanten und wichtigen Fragen hat mir allerdings größtenteils nicht gefallen. Die Handlung ist mir zu unstrukturiert, sie springt hin und her, so dass ich den roten Faden einige Male verloren habe. Zunächst passiert lange nichts bzw. wenig, bevor im zweiten Teil die notwendigen Puzzlestücke im Eiltempo gefunden werden. Dabei spielt der Zufall eine viel zu große Rolle, da war für mich vieles nicht nachvollziehbar oder unglaubwürdig. Überhaupt der Zufall – ich fand die mehreren, unterschiedlichen Ebenen, in denen Hauptperson Liina in den Fall verstrickt ist, zu dick aufgetragen. Spannung kam bei mir fast keine auf. Anfangs wurde die Handlung ständig durch Rückblenden auf Liinas Leben unterbrochen, später wurde jede Situation, bei der es spannend hätte werden können, viel zu schnell abgehandelt.

Diese Fokussierung auf Liina hat mich sowieso genervt. Sie ist zwar als Reporterin auf der Wahrheitssuche die Hauptperson des Buches, aber bei einem Thriller erwarte ich Handlung und keine Familiengeschichte. Weder sie noch die anderen Personen konnten mich überzeugen, sie waren für mich zu steril und zu oberflächlich dargestellt.

Positiv erwähnen möchte ich aber die genderneutrale Darstellung der Charaktere. Zwar wurde noch viel zu viel zu der auftauchenden geschlechtsneutralen Person erklärt und ausschließlich weibliche Ärztinnen mit männlichen Helfern sind zu überzogen, um natürlich zu wirken, aber es geht eindeutig in die richtige Richtung. Er wäre wünschenswert, wenn die Vielfalt von Menschen irgendwann ganz selbstverständlich in Büchern wird, wie hier die Homosexualität einer Protagonistin.

Fazit: Interessante Grundidee, aber die Umsetzung konnte mich nicht überzeugen. Da wirkte vieles zu bemüht und zu konstruiert, außerdem fehlte mir die Spannung. Weil es sehr gut und flüssig zu lesen war, habe ich mich für drei von fünf Punkten entschieden.