Ermitteln unter der NS-Besatzung

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missmarie Avatar

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"Man konnte es damit vergleichen, wie die Pariser mit den Deutschen umgingen. Sie schauten die Besucher nicht an, sie nahmen sie einfach nicht zur Kenntnis."

Die NS-Besatzer einfach ignorieren, das scheint im Herbst 1940, in dem "Paris Requiem" spielt der einfachste Umgang mit den ungewollten braunen Gästen zu sein. Eigentlich würde auch Eddie gerne ignorieren, dass seine Polizeiarbeit nun zumindest indirekt unter den Augen der Deutschen geleistet werden muss. Allerdings machen ihm seine Ermittlungen einen Strich durch die Rechnung: Ein Toter wird mit zugenähtem Mund aufgefunden. Schnell stellt sich heraus, dass der Mann eigentlich in Haft sitzen sollte. Eddie selbst hatte ihn hinter Gittern gebracht. Wäre das nicht merkwürdig genug, tauchen bald immer mehr befreite französische Kleinkriminelle in den einschlägigen Pariser Viertel auf - ohne, dass es offizielle Unterlagen über deren Entlassungen gegeben hätte. Klar ist schnell, dass nur die Deutschen die Macht hätten, solche Befreiungsaktionen durchzuführen - aber zu welchem Zweck? Und warum herrscht unter den Gangstern der Stadt plötzlich Panik, wenn man auf diese Fälle zu sprechen kommt?

Chris Lloyd lässt seinen französischen Ermittler zum zweiten Mal während der NS-Zeit ermitteln. Auch wenn es auf den ersten Blick merkwürdig erscheinen mag, dass ein Brite über die deutsche Besetzung Frankreichs spricht, ist das Buch auch auf der historischen Ebene sehr spannend. Denn hier lernt man quasi nebenher, was es bedeutet, rivalisierenden NS-Institutionen ausgeliefert zu sein, der eigenen Regierung nicht mehr trauen zu können oder unter der Lebensmittelrationierung zu leiden. Besonders auf der atmosphärischen Ebene fängt der Autor den historischen Zeitgeist gut ein. Ebenso ist der Krimi spannend erzählt und hält die ein oder andere Überraschung bereit. Zwar gibt es auch Szenen, die vielleicht weniger funktional sind - dazu gehört aus meiner Sicht der Prolog. Dennoch zeigt sich hier ein klassischer Krimi im Gangster-Milieu, den ich sehr gerne gelesen habe.