Wer zieht die Fäden?

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Leerer Stern
martinabade Avatar

Von

So richtig fröhlich war ich nicht, als der Gewinn „Paris Requiem“ bei mir eintrudelte. Schon wieder eine Reihe, schon wieder ein Band aus „mittendrin“. Okay, der zweite von zwei. Das kann ich eigentlich nicht so gut leiden. Aber der Klappentext klang gut und nach spannender und intelligenter Unterhaltung. Also los, Nase ins Buch.

„Paris Requiem“ spielt im September 1940. Im Mittelpunkt steht Inspecteur Eddie Giral. Die französische Hauptstadt ist nach dem Blitzkrieg der Nazis durch die Benelux-Staaten seit gut drei Monaten von den deutschen Truppen eingenommen. Es haben sich Parallelwelten entwickelt, die sich merkwürdig unecht anfühlen. Die Besatzer sind überall, trotzdem haben die einheimischen Ordnungshüter noch eine Reihe von Aufgaben und Befugnissen. Diese Grauzone macht das Arbeiten als französischer Polizist anstrengend. Überall lauern die Gestapo oder die deutsche Abwehr. Jeder kennt jeden, jeder hat mit fast jedem noch eine Rechnung offen oder ist dem jeweils anderen noch einen Gefallen schuldig. Giral bringt zudem noch seine Erinnerungen und Traumata aus dem Ersten Weltkrieg mit; diese folgen ihm zuverlässig durch sein Leben.

Eines nachts wird Giral zu einem Tatort in einem abgerockten Jazzclub geholt. Zwei bemerkenswerte Dinge stellt der Inspecteur dort fest. Man hat der Leiche, die er vorfindet, mit grober Paketschnur den Mund zugenäht. Ob ante oder post mortem, bleibt festzustellen. Und – gerade diese Leiche sollte eigentlich im Knast sein. Dahin hat Giral den Bösewicht nämlich vor nicht allzu langer Zeit höchst selbst verbracht. Wie kommt der also in den Club?

Es entspinnt sich eine fein gebaute Kriminalgeschichte, mit Mord und Totschlag, Schmuggel, Raub und Schwarzmarkt. Diese hat der Autor in die akribisch recherchierte Zeitgeschichte eingeflochten. Und da regieren die Gegensätze. Für die Einheimischen gibt es Lebensmittelkarten, auch Inspecteur Giral schiebt den sprichwörtlichen Kohldampf. Die Rationierungen machen vor den Ordnungshütern nicht halt. Für die Besatzer gibt es dagegen ein Leben in Saus und Braus, mit Champagner und schönen Frauen.

Ich hatte wirklich Schwierigkeiten zu entscheiden, was mich mehr interessiert – der eine oder der andere Erzählstrang. Aber, Erleichterung. Nach circa der Hälfte der Geschichte nimmt Lloyd dem Leser oder der Leserin die Entscheidung ab, indem er beide nahtlos ineinander verschmilzt.
Die Sprache ist schnörkellos und pragmatisch; die Handlung steht klar im Vordergrund. Faszinierend ist die innere Zerrissenheit des Inspecteur‘. Auch er ist nicht frei von Schuld und Verfehlungen, führt einen beständigen inneren Monolog, eine ethische Auseinandersetzung mit sich.

Kurz und bündig: ein vielschichtiger und anspruchsvoller Kriminalroman. Ich freue mich auf Band 3.