Coole Mama in einer crazy world voller Herausforderungen

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gürkchen Avatar

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Evelyn Weigert war mir vollkommen unbekannt, bevor ich ihren Elternratgeber der etwas anderen Art in den Händen hielt. Die Moderatorin fackelt nicht lange und nimmt uns ohne Umschweife und schonungslos ehrlich mit in den Kreißsaal, auf das stille Örtchen oder in ihre düstere Gedankenwelt während eines Mama-Burn-outs. Vielen anderen Frauen wäre es bestimmt unangenehm, in der Öffentlichkeit über persönliche Ängste, überspitzte Sorgen oder Kackwürste zu schreiben, aber ich liebe diese Offenheit, weil es bei der Berlinerin auch einfach authentisch und nicht aufgesetzt ist und immer mit dem denglischen Touch einer Prenzlauer-Berg-Göre gespickt wird.

Die regelmäßigen Aufrufe für mehr Selbstakzeptanz und die Plädoyers, wofür wir als berufstätige Mütter schlichtweg stolz sein dürfen und sollen, helfen dabei, das tägliche Chaos leichter zu ertragen. Ich habe mir manchmal gewünscht, über das Gelesene mit der Autorin in den Austausch zu gehen und auch meine ähnlichen Erlebnisse mit ihr zu teilen, weil ich mich von ihr wirklich verstanden gefühlt habe. Diese aufopfernde Liebe für die eigenen Kinder und wie es dabei an den eigenen Kraftreserven zerrt, oder auch der Wunsch, ein paar Aufgaben im Haushalt in Ruhe zu erledigen, aber gleichzeitig sich vor Sehnsucht nach dem Nachwuchs zu verzehren, der gerade friedlich in der Kita spielt. All das versteht die ältere Generation unserer Eltern nicht (mehr), aber hier sitzen wir auf knapp 200 Seiten alle in einem Boot – in einer Zerreißprobe zwischen Kuschelzeit, Sehnsucht nach selbstbestimmter Zeit und Schlafmangel. Wir sollten definitiv häufiger mit Gleichgesinnten z. B. über das misslungene Abendessen sprechen, statt alles immer zu beschönigen, denn das macht coole Mamas aus.

Etwas genervt haben mich die Lobhudeleien auf das besonders schwere Schicksal mit zwei kleinen Kindern als Selbstständige mit ihrem Lastenfahrrad. Der kurze Altersunterschied zwischen den Töchtern ist schließlich entweder die eigene bewusste Entscheidung gewesen oder schlichtweg auf schlechte Verhütung zurückzuführen. Dann aber noch zu betonen, wie schwer man im Showbusiness schuften muss, fand ich daneben, denn obwohl es in einem 40-Stunden-Bürojob höchstwahrscheinlich nicht um Existenzängste nach einer Schwangerschaft geht, so ist das Pensum gewiss nicht weniger anstrengend, als beispielsweise in Podcasts über lustige Spielplatzausflüge zu berichten – aber hey: „Cool Moms, don’t judge other jobs“.

Bei der Danksagung bekommen von Evelyn auch die Fotografin und der Layoutverantwortliche für das Cover einen ordentlichen Applaus. Meine erste Intention beim Betrachten des Bildes weckte allerdings eher gemischte Gefühle, weil ich nicht an eine stressgeplagte Mutter, sondern an eine cracksüchtige Barbie dachte. Kaufanreiz war das Cover für mich demnach nicht, aber glücklicherweise begeistert der Inhalt dafür umso mehr.

Mittlerweile bin ich damit beschäftigt, meinen Mann davon zu überzeugen, dass er auch in ein paar Kapiteln schmökert. Ich sehe „Peace, Moms“ nämlich durchaus als Paarlektüre, um mit Humor die eigenen Streitpunkte einer Beziehung von einer anderen Seite zu beleuchten und mehr Verständnis für den anderen Part im Familiengetümmel aufzubringen. Selbstverständlich steht der Spiegel-Bestseller auf meiner Geschenkeliste für gute Freundinnen natürlich auch bereits drauf.