Ungewöhnlich, anspruchsvoll und berührend

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minjo Avatar

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Cover und Titel haben mich zunächst wenig angesprochen, beides ist im eher schlichten Look des Diogenes-Verlags gehalten und wenig spektakulär. Auch gibt der Titel wenig her, um was oder wen es geht. Doch wer schon einige Bücher des Verlages kennt, weiß auch, dass sich oft wahre Schätze zwischen den Buchdeckeln befinden.... so auch in diesem Fall!

Es geht um ein junges Mädchen namens Pearly Everlasting, die mit einem kleinen Schwarzbären namens Bruno in einem kanadischen Holzfällercamp der frühen 30er Jahre des letzten Jahrhunderts aufwächst. Die Lebensbedingungen sind sehr hart, die Familie arm. Der Vater ist der Koch des Camps, die Mutter Heilerin. Pearly hat auch noch eine ältere Schwester namens Ivy, doch es ist Bruno, mit dem sie praktisch seit ihrer Geburt zusammen ist und ihn als ihren Bruder bezeichnet. Die beiden haben eine sehr innige Verbindung zueinander. Als ein neuer Vorarbeiter das Camp übernimmt, ist ihm der Bär von Anfang an ein Dorn im Auge und als ein Mord geschieht, scheint sich das Schicksal gegen Pearly und Bruno zu wenden...

Die Beschreibungen über das harte Leben in dem Holzfällercamp ließ mich von Beginn an in eine andere Welt eintauchen. Die ersten Jahrzehnte des beginnenden 20. Jahrhunderts in dieser unwirtlichen Umgebung, umgeben fast nur von groben Holzfällern und von Mythen über den bösen Waldgeist Old Jack prägen Pearly Everlasting auf eine besondere Weise. Die Erzählung aus Pearly's Perspektive ist eher ruhig und undramatisierend und berührte mich vielleicht gerade deshalb. Natürlich trägt der fast schon poetische Schreibstils der Autorin Tammy Armstrong auch dazu bei, dass es sich besonders im ersten Drittel wie eine Art Legende liest. Zart und eindrücklich zugleich beschreibt sie Pearlys Aufwachsen im Camp und ihren Aufbruch ins Ungewisse, um ihren Bärenbruder wiederzufinden. Gerade diese etwas stille Betrachtung und Erzählung hat mich bewegt, so vieles steckt eher zwischen den Zeilen und will entdeckt werden. So richtig nahe kommt man Pearly dabei nicht, sie bleibt ein geheimnisvolles, aber starkes Mädchen. Ihre Trauer um Mutter und Schwester und die Angst, auch Bruno zu verlieren, fühlt man eher als das man viel darüber liest. Figuren wie die Liederfängerin und ihrer Freundin Ebony, Old Jack, der Tierarzt Amael und nicht zuletzt der vom Blitz gezeichnete Ansell, der Pearly sehr liebgewonnen hat und nach ihr und Bruno sucht - tragen dazu bei, dass man sich fast fühlt, als würde man sich einen alten Film ansehen. Im Mittelteil gibt es einige Längen, doch im letzten Drittel nimmt die Geschichte wieder mehr Fahrt auf und man hofft auf ein gutes Ende.

Ein großes Lob geht an den Übersetzer Peter Torberg, der es geschafft hat, die
Geschichte ins Deutsche zu übertragen, ohne dass die Magie, die in und zwischen den Zeilen steckt, verloren ging.

Fazit:
Eine besondere Geschichte in einem sehr schönen, aber anspruchsvollen Schreibstil. Wenn man sich darauf einlässt, entwickelt sie einen ganz eigenen Zauber und entführt den Leser in eine andere Welt.