Pageturner - aber überkonstruierter Plot

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Leerer Stern
happymountain Avatar

Von

Romy Hausmann ist für mich persönlich das am hellsten leuchtende Thriller-Sternchen des deutschen Buchmarkts! Nach ihrem preisgekrönten ersten Thriller „Liebes Kind“, der es auf Platz 1 der SPIEGEL-Bestsellerliste schaffte, hat sie mich auch mit dem Nachfolger „Marta schläft“ begeistern können. Ich liebe BEIDE Bücher und BEIDE Bücher wurden kontrovers besprochen. Umso gespannter bin ich natürlich nun, wie mir und anderen Lesern ihr dritter Thriller gefallen wird.

Bevor ich etwas zum Inhalt sage, möchte ich das erneut so gelungene Cover loben. Ich finde es toll, dass das Design an die bereits erschienen Bücher angepasst wurde und so ein Wiedererkennungswert bleibt. 😊

In Romy Hausmanns neuestem Werk begleitet der Leser Ann Lesniak durch eine sehr schwierige und emotionale Zeit. Ihr Vater Walter Lesniak wurde vor ihren Augen verhaftet. Der Vorwurf: Er ist der Schleifenmörder, der seit 14 Jahren in Berlin sein Unwesen treibt, kleine Mädchen entführt und tötet. Ann kann es nicht fassen. Ihr Vater ist doch kein Monster! Sie setzt alles daran, seine Unschuld zu beweisen.

Wie in den vorangegangenen Büchern der Autorin bedient sie sich auch hier verschiedener Erzählstränge und Perspektiven. Der Hauptteil des Buchs ist aus Anns Sicht geschildert und spielt in der Vergangenheit. In diesen Kapiteln kommen zusätzlich Gefühlsbeschreibungen hinzu, die Ann in ihrer Kindheit verfasst hat. Außerdem findet man die Aufnahme eines Interviews im Buch. Dabei unterhält sich eine dem Leser unbekannte Person mit dem vermeintlichen Täter. Parallel dazu gibt es einen Erzählstrang, der nur mit „WIR“ überschrieben ist und für mich die Täterperspektive darstellte.

Die unterschiedlichen Perspektiven, die Romy Hausmann auch hier wieder genutzt hat, mag ich beim Lesen sehr gern, da sie Abwechslung und Vielseitigkeit bedeuten. In „Perfect Day“ habe ich mich besonders über die Passagen gefreut, in denen der Täter befragt wurde. Ich hatte gehofft, durch die eine oder andere Aussage auf seine Identität schließen zu können #Pustekuchen Ich konnte anhand der Befragung keine Rückschlüsse ziehen. Ich fand es sehr schade, dass die Autorin ihren Plot diesmal so stark konstruiert hat, dass es (in meinen Augen) absolut unmöglich war, die Auflösung in Gänze zu erraten. (Einen Teil der Lösung hatte ich jedoch ca. 100 Seiten vorm Ende "emtschlüsselt".) Ich weiß: Beim diesem Thema scheiden sich die Geister. Es gibt sicherlich eine Vielzahl von Leserinnen und Lesern, die genau das lieben: Einen innovativen Plot, den sie so noch nirgends zuvor entdeckt hatten. Aber es gibt auch mich: Die überkonstruierte Stories nicht so lieben kann wie andere, die mehr aus dem Leben gegriffen sind oder sein könnten. Hier muss ich also leider sagen, hätte ich mir mehr Authentizität in der Handlung gewünscht. Versteht mich nicht falsch: „Perfect Day“ ist immer noch ein Pageturner! Aber der Plot war nicht wirklich nach meinem Geschmack. Für mich kommt das Buch da nicht an die beiden Vorgänger heran.

Dafür kann die Autorin aber mit etwas anderem punkten, dass vieles wettmacht und zwar mit Emotionen, jeder Menge Emotionen! Romy Hausmann hat für mich perfect (kleines Wortspiel) vermittelt, wie sich Ann fühlt. Ich habe wirklich mit ihr mitgelitten! Ann und ihre Gefühle wirken sehr authentisch und greifbar. In all ihrer Verzweiflung, Wut, Ohnmacht und Angst konnte ich sie verstehen. Ihre Sturheit hat mich hin und wieder zwar etwas genervt, aber wer kann es ihr in dieser Situation übelnehmen?! Die anderen Figuren im Buch bleiben tatsächlich überwiegend blass. Das ist jedoch nicht als Kritik zu verstehen. Als Leser nimmt man alles aus Anns Sicht wahr. Man weiß bei anderen Personen nicht in dem Umfang, was sie denken oder fühlen, wie man es bei Ann tut. Dadurch hat man jedoch genügend „Freiraum“ andere Figuren als Täter zu verdächtigen.

Die Spannung steigert sich in „Perfect Day“ langsam aber stetig. Einige gut gesetzte Twists haben mich wirklich überraschen können. Toll fand ich außerdem den Showdown, der wirklich einlud an den Fingernägeln zu knabbern. Der, „aus der Jackentasche gezogene Beweis“, wer der wahre Täter ist, hat mich allerdings wieder gar nicht überzeugt und fällt für mich wieder in die Kategorie „überkonstruiert“. (Ich kann hier leider nicht mehr schreiben, ohne zu spoilern.)

Was Romy Hausmann aber fabelhaft beherrscht und von dem ich nicht müde werde, es zu betonen, ist der Umgang mit unserer Sprache. Der Schreibstil ist so bildgewaltig und emotional. Hach, einfach brachial schön! Beispiel gefällig?

„Das Leben bahnt sich seinen Weg. Es nutzt die kleinste Ritze, um selbst unter widrigsten Umständen hervorzutreten, wie ein Pflänzchen zwischen Asphalt. Ein Lachen, das erst zwickt, weil man die entsprechenden Muskeln lange nicht mehr bewegt hat, eins, das leise und verhalten und vielleicht ein wenig gekünstelt klingt. Und dann lacht man eines Tages eben doch wieder, laut und schallend und so heftig, dass einem der Bauch wehtut. Dann zwingt sich das Glück einem auf, es fragt nicht nach Schuld und Recht; Glück ist blind und taub, und das ist gut so.“ Seite 391

Es gab so viele weitere schöne Zeilen, die ich euch gern als Zitat aufgeführt hätte, aber ich möchte euch natürlich die Chance geben, diese tollen Zeilen selber zu entdecken. Das Ende, aus dem übrigens das ausgewählte Zitat stammt, versöhnte mich wieder mit „Perfect Day“. Ich mag es zu wissen, wie es mit den Figuren weitergeht, die ich mit dem Zuklappen des Buchs verlasse und freue mich sehr, dass die Autorin ihr Ende auserzählt hat. Übrigens müsst ihr euch das titelgebende Lied von Lou Reed wirklich einmal anhören. Es bildet – für mich – den Soundtrack zum Buch und vermittelt eine wunderbar melancholische Stimmung.

Was kann ich nun abschließend zum Buch sagen?

✒ Es war wieder unfassbar toll geschrieben.
❤ Es erzeugt beim Lesen jede Menge Gefühle und Gänsehaut.
😱 Es baut langsam Spannung auf, die dann im „Showdown“ gipfelt.
🧐 Der Plot war innovativ, aber für mich zu konstruiert.
🥰 Es lohnt sich also auf jeden Fall, „Perfect Day“ selbst zu lesen und herauszufinden, wie es euch gefällt.