Rote Schleifen vom Mörder

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern
büchersally Avatar

Von

Nach 14 Jahren hat man endlich den Schleifenmörder gefasst. Zehn Mädchen zwischen sechs und zehn Jahren fielen ihm zum Opfer. Rote Schleifen wiesen nur noch den Weg zur Leiche. Über Jahre berichteten die Zeitungen über „Doktor Tod“. Was so viele Menschen als gute Nachricht empfinden, lässt Anns Welt zusammenbrechen. Es ist ihr Vater, dem die Indizien zur Last gelegt werden. Verzweifelt versucht sie, seine Unschuld zu beweisen.

Romy Hausmann führt in ihrem dritten Roman erneut durch die Variationen der seelischen Abgründe. Wenn ein Kind Opfer eines Verbrechens wird, ist die Betroffenheit um einiges höher als bei erwachsenen Opfern. Ihre Unschuld hätte mehr geschützt werden müssen. Von daher ist der Täter für die Öffentlichkeit sofort ein Monster, der nicht nur die Familie des ermordeten Kindes traumatisiert. Für die Protagonistin ist die Festnahme des Schleifenmörders ungleich höher: Es ist ihr Vater. Nach dem Tod der Mutter hat sich der Anthropologe und Philosoph stets um alles gekümmert, damit es seiner Tochter an nichts fehlte. Sie kann es sich nicht vorstellen, dass er tatsächlich diese Taten verübt haben soll und beginnt auf eigene Faust, Beweise für die Unschuld zu finden.

Die Figuren lassen sich mühelos auf zwei Seiten verteilen. Die einen begrüßen die Inhaftierung des Mörders und die anderen fühlen mit Ann mit. Die junge Frau, die ihr Germanistikstudium noch nicht beendet hat, jobbt in einem Burgerrestaurant. Sie hat offensichtlich nicht viele Vertraute in ihrem Umfeld. Jakob bemüht sich um sie, aber sie zögert noch, ihm mehr als die Treffen in der Mittagspause zu geben. Seit kurzer Zeit ist ihre beste Freundin aus Kindertagen wieder in Berlin. Die Eltern wohnen noch im Haus gegenüber. Mit ihr sichtet sie die gestohlene Mappe mit den Anklagepunkten. An diese brisanten Informationen konnte sie nur kommen, weil der Verteidiger ein langjähriger Freund des Vaters ist. Die Handlungsorte sind Berlin und Schergl im Bayerischen Wald. An beiden Orten scheinen weitere Verdächtige auf die Unschuld des Vaters hinzudeuten. Diese Wendungen können überzeugen und locken den Leser auf alternative Fährten.

Der Roman erzeugt einen Thrill, den man noch nach der letzten Seite erlebt. Es ist nicht nur die Tat, oder die latente Bedrohung, die überall herrschen kann, sondern vielmehr der Umgang mit dem Geschehenen. Die fiktiven Situationen passieren auch im realen Leben immer irgendwo. Im Jahr 2020 waren 25 Familien betroffen. Meistens sind es Mädchen. Die dazugehörigen Mörder sind vielleicht auch Familienväter, die für ein anderes Kind ein heldenhafter Mittelpunkt ist. Man sieht eben immer nur die Oberfläche eines Menschen und nicht, wie es innen ausschaut. Die Aufklärungsquote für diese Kapitalverbrechen liegt übrigens über 90 Prozent. Von daher ist auch Anns Figur glaubhaft.

Perfect Day ist ein packender Thriller, der seinen Lesern die Informationen über drei Wege mitteilt: Die Sicht der Hauptfigur Ann, die Gedanken des mutmaßlichen Mörders und über einen Text einer Sprachaufzeichnung im Gefängnis. Immer stellt sich die Frage, ob tatsächlich der Richtige inhaftiert ist, oder ob Anns Zweifel berechtigt sind. Der perfekte Tag zum Lesen ist einer, an dem man das Buch in einem Rutsch lesen kann.