Was für ein Pageturner und Lesehighlight!

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern
gina1627 Avatar

Von

Für die Germanistikstudentin Ann Lesniak bricht eine Welt zusammen, als ihr geliebter Vater, ein angesehener Anthropologe und Philosophieprofessor, aufgrund schwerwiegender Indizien verhaftet wird. Ihm wird vorgeworfen, der seit Jahren gesuchte Serienmörder von 10 jungen Mädchen im Alter zwischen sechs und zehn Jahren zu sein. Das Markenzeichen des Täters sind rote Schleifenbänder, die er als Wegweiser zu den Fundorten der Leichen platzierte. Für die Medien ist dieser Fall ein gefundenes Fressen und für die Polizei so gut wie aufgeklärt, sodass sie keinen weiteren Ermittlungsbedarf mehr sehen. Ann will und kann es nicht glauben, dass ihr Vater zu solchen Taten fähig ist und begibt sich selber auf die Suche nach Entlastungsmaterial und dem wahren Mörder.

Nach „Liebeskind“ und „Marta schläft“ war ich unheimlich gespannt auf Romy Hausmanns neuen Psychothriller, der für mich in Anlehnung an den Titel zu einem perfekten Leseerlebnis wurde. Von der ersten Seite an hat mich die Autorin mit ihrer gut durchdachten Geschichte, ihren herausragend dargestellten Charakteren, die alle Ecken und Kanten hatten und ihrem überaus fesselnden und atmosphärischen Erzählstil in den Bann gezogen. Die ganze Zeit spielt sie mit der Erwartungshaltung der Leser, führt sie auf Abwege, manipuliert ihre Denkweise und offenbart dabei menschliche Abgründe, die einen schocken und betroffen machen. Durch die sich abwechselnden Erzählstränge steigert sich die spannende Dynamik der Geschehnisse fortwährend und löste Empfindungen wie Trauer und Mitleid, Wut und Entsetzen und Angst und Sorge bei mir aus. Ann ist der Dreh- und Angelpunkt in der Geschichte und war mir von Anfang an sympathisch. Ich habe sie für ihren Mut und ihre Hartnäckigkeit bewundert, fand ihre Selbstanalysen sehr treffend und konnte voll nachempfinden, wenn sie eigennützig auch mal zu Notlügen gegriffen hat. Ihre gesammelten Kindernotizen über die vielfältigen Emotionen, die die Gefühlswelt eines Menschen ausmachen, wurden sehr effektvoll im Roman gesetzt und passten wie die Faust aufs Auge zu der Stimmung und den Handlungen der darauffolgenden Kapitel. Das Hauptgeschehen im Roman findet nach der Festnahme von Walter Lesniak im Jahr 2017 statt und wird in der Ich-Form von Ann erzählt, durch die eine intensive Nähe zum Leser aufbaut wird. Wie in einem Sog begleitet man sie dabei auf ihrer verzweifelten und hoffnungsvollen Suche nach der Wahrheit und erfährt durch Rückblicke auf ihre behütete Kindheit und aufregende Jugendzeit noch mehr über sie und ihre Vater-Tochter Beziehung. Richtig unter die Haut gegangen sind mir die mit „Wir“ überschriebenen Abschnitte, in denen der Mörder seine Gedanken und nur ansatzweise seine Taten preisgibt. Bis zu einem gewissen Zeitpunkt war ich mir nie sicher, wer derjenige ist und habe gegrübelt und gegrübelt. Nachdenklich hat mich auch der Erzählpart von 2021 gemacht, in dem der Mörder sich nach so langer Zeit einer Befragung stellt. Er spielt mit den Erwartungen seines Gegenübers, lockt ihn aus der Reserve, stellt ihn vor Herausforderungen und gibt ihm letztendlich das, auf das er lange gewartet hat.

Bis zum Schluss der Geschichte hin steckte der Roman noch voller Überraschungen und Wendungen. Ann´s Briefe gingen mir dabei sehr nahe und das bewegende Ende hat mich sogar mal kurz schlucken lassen.

Fazit:

„Perfect Day“ kann ich jetzt schon zu meinen Lesehighlights 2022 zählen und uneingeschränkt weiterempfehlen. Eine 5 Sterbewertung hat sich Romy Hausmann hier mehr als verdient!