Rückkehr in die Eifel

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"Perlenbach" erzählt die Geschichte des Eifeldorfes Wollseifen, das wir schon in "Ginsterhöhe" kennengelernt haben, weiter. Dieser Roman lässt sich allerdings auch ohne Kenntnis des ersten problemlos als eigenständiges Buch lesen, denn:
Diesmal steht die Generation vor Albert Lintermann im Mittelpunkt, sein Vater Wilhelm sowie dessen Kindheitsfreunde Luise und Jacob.
Das Buchcover finde ich optisch sehr schön und passend zur Reihe, allerdings ist das Kinderbild etwas verwirrend gewählt, da im Nachhinein kein Bezug zur Geschichte zu finden ist.

Anna-Maria Casparis unaufgeregter Erzählstil, der mir schon im ersten Buch sehr gefallen hat, war auch hier wieder sehr angenehm zu lesen. Auch die Atmosphäre vom Ende des 19. Jahrhunderts und die historischen Begebenheiten waren sehr stimmig als Hintergrund der Handlung.
Es war sehr schön, noch einmal jüngeren Versionen der Wollseifener zu begegnen, und einige Hintergründe und Entwicklungen zu erfahren, die zu den Ereignissen in "Ginsterhöhe" geführt haben.

Leider muss ich im Vergleich zum ersten Band deutliche Abstriche in der Bewertung machen. Zum einen hat mir die Art, das historische Weltgeschehen und Abläufe mittels Tagebucheinträgen einzuordnen, die mir bei "Ginsterhöhe" schon teilweise sehr künstlich vorkam und aus der Handlung herausfiel, hier noch weniger gefallen, da für mich viele Einträge einfach sehr unnatürlich für ein privates Tagebuch klingen.

Zum anderen, und das ist der größere Aspekt, hatte ich große Schwierigkeiten mit der Figur des Jacob. Sicher hat man es als [Spoiler!] homosexueller, recht feminin auftretender Mann mit einer Behinderung Ende des 19. Jahrhunderts sehr schwer. Das Leben einer jungen Frau, die überall auf Hürden trifft, die ihrem Ziel, Ärztin zu werden, im Weg stehen und die für jeden Schritt kämpfen muss, oder das Leben eines Bauernsohnes aus einer kinderreichen, ärmlichen Familie, ist jedoch auch nicht gerade leicht gewesen, so wie die Leben noch vieler anderer.
Dass Jacob, dem als Fabrikerbe immerhin viele Türen offen stehen (regelmäßige Reisen nach Paris, um seine "Neigungen" dort frei auszuleben, zum Beispiel), die andere junge Männer in seiner Situation nicht gehabt hätten, konstant unglaublich selbstmitleidig und egozentrisch auftritt und es selbstverständlich und kaum erwähnenswert findet, dass alle sich aufopferungsvoll um ihn kümmern, hat ihn für mich sehr unsympathisch gemacht.
Auch von der Geschichte selbst wurde sein Verhalten und das Mitleid der anderen Figuren ihm gegenüber als völlig normal dargestellt, nicht etwa als potentieller Konflikt. Die Textstellen, in denen es um ihn ging, haben mich daher häufig sehr geärgert, was schade ist, da ich die Geschichte der anderen beiden Charaktere, Wilhelm und vor allem Luise, sehr gerne verfolgt habe.

Insgesamt ein gut erzähltes Stück Zeitgeschichte und eine berührende Beobachtung, wie sich Freundschaften im Erwachsenwerden verändern, wie sich Leben auseinanderentwickeln und Träume und Pläne sich ändern müssen, leider für mich sehr durch eine persönliche Antipathie getrübt.