Vektoren und Gummistiefel

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“Pi mal Daumen” von Alina Bronsky
Verlag: Kiepenheuer & Witsch

Oscar, 16 Jahre alt, Adelstitel, leicht autistische Züge und im ersten Uni-Semester ist entsetzt, als sich Moni Kosinski, Ü50, roter Kunstlederrock, Bluse mit Leopardenmuster und Ikeatasche gefüllt mit einem Lauch und einem Stiefel neben ihn auf den Platz setzt. Hat sich die Frau verlaufen?

Zwei unterschiedliche Protagonisten, beide an der Uni im Mathematikstudium und jeder mit unterschiedlichen Defiziten.

Moni hat verschiedene Nebenjobs, eine chaotische Beziehung und Familie. Ihre Vorlesungen besucht sie sporadisch und oft mit einem Enkelkind im Schlepptau. Vektoren sagen ihr gar nichts.
Das Studium versucht sie möglichst vor der Familie geheim zu halten.

Oscar fährt nur mit Gummihandschuhen U-Bahn, hasst Zeitdruck und träumt von Gauß nach geringem Eiweißkonsum. Mister Brown ist sein einziger “Freund” (nur er kann ihn sehen) und sein großes Vorbild ist Daniel Johannsen. Bis er im Archiv einen Artikel in der Schülerzeitung “Pi mal Daumen” über Daniel, den James Dean der Mathematik und Jan Kosinsky findet.

Für das Studium gilt es Teamarbeiten durchzuführen und Oscar hat sich deshalb mit Moni zusammengetan. Konstruktive Beiträge erwartet er nicht, er schreibt die Lösungen auf das Übungsblatt und setzt ihre beiden Namen darauf. Warum soll er sich auch mit ihre Irrwege anhören, er findet immer die Lösungen.

Doch Moni überrascht mit ihrer Beharrlichkeit. Sie bezaubert die Professoren und auch Oscar sucht immer mehr ihre Nähe, obwohl er das Chaotische in ihrem Leben nicht nachvollziehen kann.

Die beiden Protagonisten werden unglaublich authentisch und sympathisch beschrieben; Moni’s großes Herz schließt nicht nur ihre Familie, sondern auch den pragmatischen Oscar mit ein und der junge Mann lernt für seine Verhältnisse eine gänzlich neue Lebensweise und -/anschauung kennen.

Die Autorin fesselt mit ihrem leichten, flüssigen Schreibstil und obwohl Mathematik nicht mein Lieblingsfach war, haben mich die Erklärungen und Aufgaben fasziniert.

Ein tolles Buch mit Humor und dem Hinweis, dass Träume immer zur Realität werden können. Man ist nie zu alt oder seltsam für die Welt und die eigenen Wünsche.

Der nachfolgende Satz erklärt, warum Moni ihrer Familie das Studium verheimlichte und wie traurig es ist, aufgrund der Herkunft oder der äußeren Erscheinung fur dumm angesehen zu werden:

“Verzeih, Papa, sagte Moni, kalkweiß unter den Blicken. Aber wir sind leider nicht so dumm, wie wir gern wären.” (Position 2705)

Ein unglaublich schönes Buch über eine außergewöhnliche Freundschaft.
Über den Mut die Träume zu leben und über den Tellerrand zu sehen.

Große Leseempfehlung für dieses Buch mit dem umwerfenden Cover.