Ein Buch voller Klischees

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daniliesing Avatar

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Rosa bezeichnet sich selbst als Klischee - ein lebendes Klischee. Alles an ihr ist mehr oder weniger mittelmäßig, normal, nicht erwähnenswert - zumindest findet sie das selbst. Und Rosa ist unglücklich! Vor nicht allzu langer Zeit hat sie fremdgeknutscht und wurde dabei von ihrer großen Liebe Jan erwischt. Der konnte es nicht ertragen und kam dann irgendwann mit der scheinbar gar nicht klischeehaften Olivia zusammen.

David Safier beginnt sein Buch "Plötzlich Shakespeare" auf jeden Fall sehr mutig. Welcher Autor gibt schon zu, dass sein Roman voller Klischees ist? Herr Safier macht das aber absichtlich und in dem Moment wird es lustig. Er weiß, wie abgedroschen die Klischees sind, die er teilweise benutzt und man selbst als Leser bemerkt natürlich auch, dass er es weiß. Man ist also nicht peinlich berührt beim Lesen, weil jemand mal wieder denkt, mit Uralt-Ideen witzig zu sein, sondern der Autor gibt diesen Ideen neuen Pfiff. Aus einfachen Grundideen etwas Neues und Humorvolles zu machen, ist definitiv eine Stärke von David Safier.

Natürlich war vorher zu erwarten, dass auch dieses Buch wieder auf einer nahezu übersinnlichen Geschichte beruht. Bereits der Titel "Plötzlich Shakespeare" lässt das vermuten. So ist es dann tatsächlich. Rosa nämlich wird ausnahmsweise mal von keinem Stümper in ihr früheres Seelen-Ich versetzt - überrascht muss sie feststellen, dass das auch noch Shakespeare ist. An sich sicher nicht der schlechteste Körper, aber allein dessen männliche Merkmale machen Rosa fortan ziemlich zu schaffen. Wie zum Beispiel soll man sich einer vollen Blase entleeren, ohne seine primären Geschlechtsteile anzusehen und zu berühren? David Safier gelingt es hier grandios die oft doch vorhandene Scheu vor fremden Körpern, speziell des anderen Geschlechts, auf die Schippe zu nehmen. Es ist herrlich amüsant zu lesen, wie Rosa in ihrem neuen Körper empfindet und auch, was sie von den Gepflogenheiten im 16. Jahrhundert hält. Sie eckt ja mit ihrem Verhalten auch ständig irgendwo an. Fragen Sie mal jemanden, der im 16. Jahrhundert lebte, nach Unterhosen oder einem WC.

Hinzu kommt, dass Shakespeare in so einige Intrigen verwickelt ist und mit hochrangingen Leuten wie der Queen oder dem Lord of Essex zusammen arbeiten muss. Hier tritt Rosa natürlich in massenhaft Fettnäpfchen. Zudem sind die Zwiegespräche zwischen Shakespeare und Rosa in einem Kopf besonders komisch. Mann und Frau in einem Körper - wen küsst man da zum Beispiel? Rosa jedenfalls muss rausfinden, was die wahre Liebe ist, denn erst wenn sie das begriffen hat, darf sie wieder zurück in ihren eigenen Körper.

"Plötzlich Shakespeare" ist so ein Buch, dass sich in einem Rutsch wegliest. Es folgt diesem gewissen Fluss, dem sich der Leser in der Regel nicht entziehen kann. Dennoch bringt es weitaus weniger zum Lachen, häufiger ist es eher ein Schmunzeln, als David Safiers vorherige Romane "Mieses Karma" und "Jesus liebt mich". Dementsprechend konnte es die Erwartungen natürlich nicht ganz erfüllen, denn sicher werden sich die meisten Leser auf lautes Lachen eingestellt haben. Auch die Kulisse Englands zu Lebzeiten Shakespeares wird nicht richtig greifbar. Es gelingt ob Safiers Beschreibungen nicht wirklich, eine richtige Vorstellung zu entwickeln. Bis auf das Innenleben Shakespeare/Rosas und das Agieren der beiden mit einigen anderen Figuren, bleibt die Geschichte schon etwas blass. An mancher Stelle hätte man sich mehr Kreativität oder Detailliertheit gewünscht.

Für ein paar Stunden der anregenden Lektüre ist "Plötzlich Shakespeare" wirklich geeignet. Vielleicht hat sich David Safier aber doch ein bisschen zu sehr an den Klischees aufgehängt. So weiß das Buch zwar durchaus zu überraschen und amüsieren, aber nicht im gewünschten Maße. Dennoch ist es ein Buch, das wunderbar unterhält und Spaß bringt.