Tagebuch von Poet X

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straßenprinzessin Avatar

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“Das Notizbuch war nicht wie jedes andere. Er kaufte es in einer Buchhandlung. Der Einband war aus Leder. Darauf war eine Frau abgebildet, die ihre Arme in den Himmel emporhielt. Um sie herum flogen Worte wie Blütenstaub.“ (Seite 43)

Wow, bei diesem Buch stimmt einfach alles, von Seite 1 an bis zur Danksagung und dennoch ist es so schwer zu beschreiben, man muss es einfach selber erleben!

Jemand sagte mal: „Gute Texte beim Poetry Slam sind knackig und volle Dynamit. Der Funken folgt der Zündschnur gradlinig und unbeirrbar und lässt das Ganze dann in einer feurigen Pointe hochgehen.“ (literaturtipps.de) und genau das schafft die Autorin E. Acevedo mit ihrer starken und Zeitgleich zerbrechlichen Protagonistin Xiomara alias Poet X.

“Ich bin das X, das ich täglich wie eine Schutzweste trage“ (Seite 302)

Die Autorin hat mit ihrer jungen Protagonistin ein Mädchen gewählt, welches es ganz und gar nicht leicht hat. Zu ihrem Leben gehören Rassismus und Sexismus, fanatische Religionslehre und Homophobie und in all dem Chaos muss Xiomara auch noch heraus finden, wie sie zu einer selbstbestimmten jungen Frau wird, die trotz hoher Erwartungen auch ihre eigenen Wünsche haben und verfolgen darf.

“Ich weiß, was es bedeutet, eine verschlossene Blume zu sein, sich zu öffnen. Auch wenn es nach einem Klischee klingt, aber es ist perfekt.“ (Seite 285)

E. Acevedo hat ein unglaubliches Sprachgefühl. Ihre Texte strahlen eine sprachliche und bildliche Kraft aus, so dass man jede Seite verschlingt. Xiomara ist so authentisch, die Themen aktueller den je und man versteht sie, will sie verstehen und hofft jede Minute auf ein Happy End.

“Meine Poesie ist etwas, auf das ich stolz bin. Stolz darauf, dass meine Worte sagen, was ich meine, wie sie mit der Sprache spielen, sie benutzen, um eine Verbindung zu den Menschen aufzubauen.“ (Seite 285)

Ihre Worte, die sich so wunderbar lesen lassen ohne ein stocken, die so verständlich sind, wenn man gewillt ist zuzuhören und die leider auch viel zu oft die Wahrheit sind.
Poet X bewegt einen, zwingt einen, sich auch mit der Schattenseite auseinander zu setzten, nimmt einen aber nicht die Hoffnung. Die Hoffnung auf ein besseres Leben, auf erfüllte Wünsche und neue Träume, auf Stille Momente und ein „gehört“ werden, in einer unglaublich lauten Welt.

“Hoffnung ist das Ding mit Federn / Und auch wenn ich zweifele, dringt sie doch flatternd in die Ecken meines Körpers“ (Seite 264)

Jedes Gedicht, jede einzelne Seite hat diesen Einen kleinen Moment, der einen berührt, zum Nachdenken bringt und einem einfach nur innehalten lässt.
Um so schöner ist es dabei, dass jedes Gedicht nur über eine, maximal zwei Seiten lang geht. So kann jeder Text für sich wirken, ohne das etwas verloren geht oder an Bedeutung verliert. Trotzdem wäre es schöner gewesen, wenn das Format ein bisschen kleiner gewählt worden wäre, damit nicht so viel Papier ungenutzt (das Buch ist zu gut, um es „verschwendet“ zu nennen) geblieben wäre.
Das Cover gefällt mir wahnsinnig gut und ist einfach nur ein weiteres Detail, welches dieses Buch so Perfekt macht.
Obwohl ich mit meinen 29 Jahren außerhalb der Zielgruppe liege, bin ich wirklich begeistert und werde es ganz oft weiterempfehlen. Definitiv eines meiner Lesehighlights 2019!