Spannendes Historiendrama

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marionhh Avatar

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Cornwall, Ende des 18. Jahrhunderts: Ross Poldark kehrt nach dem Kampf im amerikanischen Unabhängigkeitskrieg an Körper und Seele verwundet nach Hause zurück. Er findet seinen Vater tot und sein Erbe verwahrlost vor, die Pächter sind verarmt, die Felder liegen brach, die Minen bringen nichts ein. Zu allem Übel ist auch noch seine große Liebe Elizabeth mit seinem Cousin Francis verlobt. Die beiden heiraten kurz nach seiner Rückkehr. Ross versucht mit den beiden verbliebenen Dienern den Besitz wieder auf Vordermann zu bringen, zusätzlich stellt er einen Hilfsknecht sowie das zerlumpte Mädchen Demelza, Tochter eines Minenarbeiters, als Küchenhilfe ein, um sie vor ihrem gewalttätigen Vater zu retten. Seine Verwandtschaft sieht er selten, seinem Onkel und Vetter wäre es am liebsten er würde verschwinden. Doch Ross kämpft und er versucht sogar, eine stillgelegte Mine auf seinem Land mit Krediten von Partnern wieder flott zu bekommen. Indessen wächst Demelza heran und wird zu einer wertvollen Kraft in seinem Haus. Sie liebt ihn schon lange, doch für Ross ist sie nur ein Kind, das er beschützen muss. Als sie schließlich zueinander finden und heiraten, ist dies ein Skandal für seine Familie und in der Gesellschaft...

Ein wundervoller, bildgewaltiger, lebendiger historischer Roman mit authentischen Charakteren, spannend von der ersten bis zu letzten Zeile. Die Romanserie von Winston Graham wurde von der BBC neu verfilmt, und im Zuge dessen wurde auch die Romanserie neu aufgelegt. Die 12-bändige Serie entstand zwischen 1945 und 2002 und hat nichts von ihrer Spannung verloren. Die manchmal etwas gestelzt und altertümlich anmutende Sprache ändert nichts an dem sehr fesselnden, recht sachlich-nüchternen Schreibstil, der jedoch zu Zeiten auch bildhaft und fast schon poetisch sein kann, etwa wenn es um Gefühle geht. Der erste Band spielt sich zwischen Oktober 1783 und Dezember 1787 ab und erzählt chronologisch, wenn auch mitunter mit größeren Zeitsprüngen innerhalb der Kapitel. Formal ist der Band in drei Bücher unter Angabe des Zeitraums mit jeweils von vorn beginnender Kapitelzählung unterteilt.

Im englischen Original treffend mit Ross Poldark betitelt, handelt der erste Band denn auch hauptsächlich von Ross und seiner Rückkehr, seinem Wirken auf der Farm und seinem Einfluss auf seine Umgebung und seine Mitmenschen. Aber auch die anderen Charaktere kommen nicht zu kurz, sie sind gut herausgearbeitet und oftmals liebevoll, immer aber sehr treffend gezeichnet. Der Autor kennt sich bestens in Cornwall aus und er kann sich sehr gut in die verschiedensten Typen hineinversetzen. Außerdem versteht er es meisterhaft, seinen Beschreibungen einen sehr lebendigen Anstrich zu geben, sei es bei den Schilderungen der alltäglichen Dinge wie ein Tag auf dem Markt als auch bei umfassenderen Themen wie der tägliche Überlebenskampf der Pächter. Er bildet so das gesamte Spektrum der damaligen englischen Gesellschaft ab, (verarmter) Landadel, Pächter, Leibeigene, neureiche Bankiers, Status bewusste Ladies. Die Zeiten befinden sich im Wandel, mit der Dampfmaschine und der damit beschleunigten Industrialisierung werden einerseits neue Arbeitsplätze und Biografien geschaffen, althergebrachte Strukturen brechen auf. Andererseits fallen auch viele durch das Raster, kommen mit der Schnelligkeit des Fortschritts nicht mit, es entstehen Elendsviertel, Gewalt und Epidemien nehmen zu.

Graham zeichnet seine Charaktere nicht nur schwarz oder weiß, sie sind vielschichtig, wie echte Menschen eben. Der Leser taucht in eine andere Welt hinein und lebt mit den Figuren mit, die für ihn real werden. Ross als Hauptfigur ist natürlich zunächst am Faszinierendsten, er wird durch die Erlebnisse des Krieges geläutert und muss zunächst einmal mit schweren Schicksalsschlägen fertig werden. Auch wenn er sich in die Arbeit flüchtet und seine Gefühle nicht wirklich preisgibt, so verliert er doch nie sein Mitgefühl für andere. Ihm liegt etwas an seinem Land und seinen Leuten, und sein Gerechtigkeitsempfinden macht auch vor Fremden oder in der Gesellschaft unter ihm stehenden nicht Halt. Damit macht er sich nicht nur Freunde. Ross ist ein zwiespältiger Charakter, einerseits düster und voller Zweifel, trauert er seiner großen Liebe hinterher, andererseits ein fleißiger Arbeiter und durchaus erfindungsreich, was das Finden von Lösungen angeht, und auch sein trockener Humor blitzt dann und wann durch. Durch die Hinwendung an Demelza entwickelt er außerdem Gefühle, die er selbst nicht für möglich gehalten hätte und die er dank ihrer Zuneigung auch äußern kann.

Demelza ist die perfekte Ergänzung, trotz ihrer schwierigen Kindheit und schlechten Erfahrungen ist sie ein offener und liebevoller Mensch, die alles für ihre Lieben tut. Aber auch sie zweifelt aufgrund ihrer Herkunft an Ross' Liebe zu ihr und in Gegenwart von anderen ist sie unsicher. Wie sie sich dennoch behauptet und sich mit Würde und Stolz den Vorurteilen entgegenstellt, macht sie umso sympathischer, zumal sie über eine sehr treffsichere Beobachtungsgabe und große Schlagfertigkeit verfügt. Ungeheuer intelligent und lernbegierig saugt sie alles Wissen auf, das sie kriegen kann, und unterstützt Ross nicht nur mit ihrer Arbeitskraft, sondern viel mehr mit ihrer Hingabe und ihrer eigenwilligen Sicht auf die Dinge. Aber auch die anderen sogenannten Nebencharaktere sind nicht wirklich Randfiguren, sondern spielen eine wichtige Rolle in Ross' und Demelzas Leben, alles voran Ross' Cousine und beste Freundin Verity. Alle haben ihr Päckchen zu tragen, und hinter der gutbürgerlichen Fassade der vermeintlich gut situierten Landadligen brodelt es. So darf man gespannt sein, wie es mit den lieb gewonnenen Figuren in den nächsten Bänden weiter geht!

Fazit: Fulminanter Auftakt zur Romanserie um Ross Poldark und den anderen Figuren in seinem Umfeld. Das Cover des ersten Bandes ziert übrigens Aidan Turner, der in der Neuverfilmung den Ross verkörpert, meines Erachtens keine schlechte Wahl- das Düstere und Geheimnisvolle kommt jedenfalls sehr gut rüber. Kein überflüssiges Geschwafel, aber auf den Punkt gebrachte Beschreibungen der Umgebungen, Abläufe und Charaktere geben dem Roman einen sehr authentischen Anstrich. Detaillierte Kenntnisse des Autors über Hintergründe und sein unvergleichlicher Schreibstil tun ihr Übriges, um dem Leder ein Lesevergnügen der besonderen Art zu garantieren. Die deutsche Fassung der BBC-Serie wird übrigens im Bezahlfernsehen angeboten, meines Erachtens könnte sich auch die Anschaffung der britischen Originalfassung lohnen. In jedem Fall lohnt sich aber das Weiterlesen der Folgebände, als Leser will man unbedingt wissen, wie es mit Ross und seinen Leuten weitergeht. Großartiger historischer Schmöker mit Suchtfaktor!