Authentisch erzählte Zeitgeschichte

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern
hennie Avatar

Von

Inzwischen schreibt man das Jahr 1924 und Berlin stellt sich als Moloch dar. Wer nicht auf sich achtet, wird im Überlebenskampf in der Anonymität der erbarmungslosen Großstadt verschlungen. Erging es so der jungen, eleganten Frau, deren Leben Polizeiärztin Magda trotz ihrer Bemühungen nicht retten konnte? Magda werden wir genauso wie die anderen interessanten Frauen über mehr als 500 Seiten und bis ins Jahr 1926 begleiten. Da sind: die inzwischen mit dem steinreichen Edgar verheiratete Celia, die nun schon ziemlich berühmte Schauspielerin Doris, die umsichtige, aber auch eiskalte Anwältin Ruth Jessen, die erfolgreiche Schriftstellerin Erika Hausner und Ina Dietrich, die Fürsorgerin, die das Elend der Kinder, der Familien, der Prostituierten versucht, erträglicher zu machen. Es sind viele Personen, bekannte Menschen aus den vorherigen beiden Bänden und neue, die hinzukommen. In einer Übersicht vorn im Buch sind die meisten mit Geburtsjahr, Berufsbezeichnung, Verwandtschafts- Bekanntschaftsbeziehung aufgeführt. Das erweist sich als sehr nützlich!

Die Geschichten um die Hauptpersonen werden sehr spannend fortgeführt und geschickt verflochten mit weiteren wichtigen Menschen, Nebencharakteren, Ereignissen und Örtlichkeiten. Das Autorenduo hat es wunderbar verstanden, die Schicksale der einzelnen Personen miteinander zu verbinden und weitere Beziehungsgeflechte herzustellen. Das alles ereignet sich in der gesellschaftlichen Entwicklung der Zeit. Einer der zentralen Punkte der Begegnungen ist die Pension „Bleibtreu“, in der verschiedene Frauen eine sichere und angenehme Bleibe finden. Celia ist nach dem Tod der Mutter die Besitzerin des Etablissements, zu dem auch eine Arztpraxis gehört, in der Magda als Frauenärztin praktiziert. Anhand der weiblichen Hauptfiguren ergibt sich ein anschauliches Bild, wie sich die Rolle der Frau in der dominant männlich geprägten Gesellschaft langsam zu wandeln beginnt. Doch nicht nur die Herren der Schöpfung stellen sich quer, wenn es darum geht, dass die Frauen selbstbestimmt ihr Leben gestalten. Nein, auch sie selbst stehen dem Fortschritt skeptisch bis ablehnend gegenüber. Ein wunderbares Beispiel ist die „Herrscherin" über den Hinnes-Clan, Alwine Hinnes, die sich rühmt, neun Kinder geboren zu haben.

S. 170 Alwine: „Es ist wider die Natur, wenn wir Frauen wie die Männer sein wollen.“

Viele weitere Themen bestimmen das Buch. Neben der erwachenden Emanzipation gibt es fast alles, was die Lektüre für mich so lesenswert machte. Menschliche Abgründe tun sich auf, aber auch viel Schönes gibt es zu erfahren. Von häuslicher Gewalt, Kriminalität durch Kinder über extreme Sexspiele, Transvestitismus, bestellte Schläger, bis hin zu Mord reicht das umfangreiche Spektrum.

Fazit:
Beste Unterhaltung bis zur letzten Seite. Ich wollte ständig wissen,wie es weitergeht und war daher recht schnell am Schluss. Nun freue ich mich auf den für Ende des Jahres (2022) angekündigten neuen Roman von Helene Sommerfeld „Die Töchter der Ärztin".

Von mir gibt es die Höchstbewertung!