Ein sehr rundes Lese-Erlebnis

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singstar72 Avatar

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Obwohl ich die vorherigen zwei Bände der Reihe nicht kenne, kann ich hier guten Gewissens die volle Punktzahl vergeben. Es war für mich ein sehr rundes Lese-Erlebnis, mit lebhaften Figuren, und einem lebendigen und glaubwürdigen Zeitportät.

Magda Fuchs, die jetzt Magda Mehring heißt, ist mir durchweg sympathisch. Sie setzt sich für ihre Patienten ein, und behauptet sich auch in schwierigeren Situationen unter Männern, zum Beispiel im Polizeipräsidium. Gleichzeitig ist sie sehr menschlich, hat ein Herz für (Straßen-)Kinder, und liebt ihren Mann, Kommissar Kuno Mehring, aufrichtig.

Doch das Buch wird gar nicht alleine aus ihrer Perspektive erzählt, wie ich zuerst gedacht hatte. Mindestens zu gleichen Teilen entfällt die Erzählzeit auf Celia Fahrland-Hinnes, eine Millionärsgattin, die sich im Laufe der Handlung vom Schoßhündchen ihres Gatten zu einer selbstbewussten Frau mausert. Sie und Magda kennen sich durch diverse private und gesellschaftliche Bande.

Das Buch lebt weiterhin von sehr umtriebigen und lebhaft gezeichneten Nebenfiguren, die ich alle ins Herz geschlossen habe: Oberkommissar Wagner, der ständig seine Torten futtert, der Butler Bergmann, den seine Neigungen mehrfach in Schwierigkeiten bringen, und die Köchin Liesl, deren breitestes Bayrisch für so manchen Schmunzler gesorgt hat. Der Duft ihrer Rohrnudeln durchzieht sozusagen die Seiten...!

Das Buch enthält ferner sehr "mutige" Themen, die ich so nicht erwartet hätte. Medizinische Themen werden auf dem Stand ihrer Zeit behandelt, was im Rückblick erstaunlich ist. Verhütung, psychische und Geisteskrankheiten, und Gallenblasen geben sich die Ehre. Sehr erstaunlich auch der Nebenerzählstrang rund um abnorme sexuelle Vorlieben, und Geschlechtsidentität...! Sicher war mir insgeheim bewusst, dass es das schon immer gegeben haben muss; es war dennoch packend zu lesen, wie damals damit umgegangen wurde. Zu guter Letzt: das Aufkommen der Nationalsozialisten. Das wurde sehr feinfühlig und glaubhaft behandelt. Dafür ein dicker Pluspunkt an die Autoren!

Mir hat auch gefallen, dass sich das Buch keinem Genre so eindeutig zuordnen lässt. Es hat Anteile eines Krimis - denn einerseits sucht Magda nach dem vor Jahren verschwundenen Otto, andererseits kam eine fremde Frau unter dubiosen Umständen zu Tode. Es ist aber genauso gut ein "Frauenroman", da es hier vorrangig um die Entwicklung von weiblichen Charakteren geht. Die Männer treten in diesem Buch fast in den Hintergrund, die wahren Fäden ziehen die Frauen! Und ein historischer Roman ist es schließlich auch, da es die 20er Jahre in Berlin zum Leben erweckt.

Deswegen kann ich das Buch letztlich nur begeistert weiter empfehlen. Hier werden verschiedene Arten von Lesern fündig: Spannung, Humor, und Zeitgeschichte, sowie eine gehörige Prise Drama - hier ist für alles gesorgt. Sehr wahrscheinlich werde ich mir nun auch die ersten beiden Bände besorgen.