Gute Geschichte, mit zu vielen Abweichungen

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denise&books Avatar

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3,5 ⭐️

Ich habe mich total darauf gefreut, dieses Buch zu lesen. Ich bin vorher schon immer wieder um die englische Version herumgeschlichen und bin jetzt sehr froh, die deutsche Übersetzung zu haben, weil mich allein das Cover schon überzeugt. Generell bin ich ein großer Fan von Nacherzählungen der griechischen Mythologie und habe schon einige Bücher dazu gelesen – das ist mir bei dieser Geschichte allerdings etwas zum Verhängnis geworden (dazu später mehr).

"Ich wurde geboren, um die größte Heldin aller Zeiten zu werden." Das Orakel von Delphi prophezeit Psyche eine Zukunft als Heldin, und prompt beginnt schon ihre Ausbildung bei der berühmten Atalante. Psyche ist eine Kämpferin mit einem eigenen Kopf – perfektes Heldinnen-Material also. Und damit beginnt auch schon die erste Abweichung von der eigentlichen Sage von Psyche (und Eros/Amor) nach Apuleius. Auf jeden Fall kein schlechter Einstieg, und auch Eros wird als komplexer Charakter eingeführt: Es gibt keine Romantisierung des Gottes der Begierde, sondern ein Geschöpf mit Zweifeln und tiefen Gefühlen. Er verliebt sich versehentlich in Psyche, und damit kommt die Königstochter komplett vom Weg ihrer Heldenschaft ab, oder...? Die Geschichte entwickelt sich sanft, und man hat auf jeden Fall Spaß daran, ihr zu folgen. Was auch definitiv an einem schönen und einfachen Schreibstil liegt.

Jetzt kommt der Teil, der keinen Spaß gemacht hat: In "Psyche und Eros" sind die Abweichungen von der "originalen" Sage leider nicht immer so glücklich. Warum musste aus Psyche überhaupt eine durchtrainierte Heldin werden? In der originalen Sage war sie eine Tochter eines unbekannten Königs, die sich für ihr Dorf geopfert hat – das hätte sicherlich auch einen spannenden Charakter abgegeben. Zusätzlich werden immer wieder andere bekannte mythologische Sagen erwähnt, das wirkt oft aber leider sehr erzwungen. Auch die Entscheidung, Psyche hier als die Prinzessin von Mykene einzusetzen, finde ich nicht gelungen. Bei mir ist der Eindruck entstanden, dass Psyche so leichter auf andere bekannte Personen treffen kann und man damit Fans von Madeline Millers "Das Lied des Achill" anlocken kann. Alles in allem hatte ich auf eine Geschichte gehofft, die sich ein bisschen mehr am Original orientiert und sich weniger an aktuell beliebten Nacherzählungen bedient. Auch wenn damit das Buch vielleicht kürzer ausgefallen wäre – so wirkte es an manchen Stellen gestreckt.

Aber: Es hat mir dennoch Spaß gemacht, das Buch zu lesen, und damit konnte ich mein Wissen über Mythologie auch wieder etwas auffrischen – auch wenn ich insgesamt eben nicht ganz happy mit dieser Nacherzählung war. Deshalb kann ich das Buch auf jeden Fall jeder Person ans Herz legen, die gerade einen Einstieg in die Welt der griechischen Mythologie sucht.