„Come to where the quality is! Come to Qualityland!”

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Der zwar auf den ersten Blick von Marc-Uwe Kling, auf den zweiten aber von der Androidin Kalliope 7.3 verfasste Roman beginnt mit dem in der Überschrift genannten Werbeslogan. Und zeigt im weiteren, wieso Qualityland nicht nur ein schönes und erfolgreiches Land ist, sondern das schönste und erfolgreichste überhaupt – dort sind nämlich nur Superlative erlaubt. Und tatsächlich scheint das Leben in der Zukunft wahnsinnig bequem zu sein – Verzeihung: am wahnsinnigsten bequemsten -, wird einem doch alles abgenommen: TheShop schickt einem Produkte zu, bevor man den eigenen Kaufwunsch überhaupt selbst realisiert hat, QualityPartner findet für einen den perfektesten Lebensabschnittsgefährten in ganz QualityLand, OneKiss macht Bezahlung allein mit einem Kuss auf ein Touchpad möglich und der digitale Assistent, der in Form eines Ohrwurms im Ohr sitzt, navigiert einen stolperfrei durchs Leben und ruft ein selbstfahrendes Auto, wenn man irgendwohin möchte. Kurzum: Für alles ist gesorgt und selbst zu denken längst überflüssig geworden – das erledigt die künstliche Intelligenz doch eh viel besser. Und damit die Einwohner von Qualityland nicht in Versuchung geführt werden, irgendwas kritisch zu hinterfragen, wird jedem auch nur noch personalisiert angezeigt, was das eigene Weltbild bestätigt.
Doch auch in Qualityland ist nicht alles Gold, was glänzt – nur dass das hier kaum einer mitkriegt. Die Hauptfigur des Buches, Peter Arbeitsloser – wie alle Männer in Qualityland mit Nachnamen nach dem Beruf seines Vaters zum Zeitpunkt der Zeugung benannt – ist zwar generell unzufrieden mit seinem Leben, nimmt das System aber als gegeben hin – bis er von TheShop einen rosa Delfinvibrator zugeschickt bekommt, den er nicht zurückgeben kann. Denn das System macht keine Fehler – oder etwa doch? Und falls ja: Macht es vielleicht noch existentiellere als den fehlerhaften Versand von rosa Delfinvibratoren?

Marc Uwe Klings Dystopie hat mich von Anfang an in ihren Bann gezogen. Immer wieder zeigt er ganz nebenbei auf, wie sich eine Gesellschaft wie die unsere theoretisch in eventuell gar nicht allzuferner Zukunft in ein „Qualityland“ entwickeln könnte. Drohnen, selbstfahrende Autos, totale Überwachung – die Grundsteine sind ja gelegt. Und wenn sich dann noch eine Unternehmensberatung ein neues Image und einen neuen Namen für ein Land ausdenken, dessen Soldaten in der Vergangenheit „zu oft übers Ziel hinausgeschossen haben“ …
„Qualityland“ ist wahnsinnig durchdacht, sehr detailliert ausgestaltet und nebenbei auch immer wieder witzig. Sofern einem nicht das Lachen im Halse steckenbleibt, wenn Peter Arbeitsloser und seine Freundin Sarah Admin „Hitler! – Das Musical“ besuchen. Oder der Verteidigungsminister Rüstungsexporte damit rechtfertigt, dass die eigenen Soldaten während der Kriege gegen die Terroristen von Quantityland so immerhin von Qualitätswaffen getroffen werden und dann „den garantiert saubersten, schnellsten, ja den menschenwürdigsten Qualitätstod“ sterben können. Es ist beeindruckend, welch aktuelle Gesellschaftskritik sich in diesem dystopischen Roman versteckt. „Qualityland“ hat mich sehr gefesselt und bietet einigen Stoff zum Nachdenken über die Welt, in der wir leben wollen.
Ein besonders Feature sind die zwei verschiedenen Ausgaben des Buches mit hellem und dunklem Cover, die verschiedene Werbeanzeigen enthalten. Ein erster Schritt in Richtung der Personalisierung, die in Qualityland auf die Spitze getrieben wird. Auf der Website www.qualityland.de kann man sich jedoch anzeigen lassen, was man verpasst hat. So sind mir zum Beispiel einige Buchempfehlungen aus Qualityland verborgen geblieben. Da hätten wir unter anderem „Die Koalabär-Chroniken: Bei einem erfolgreichen Comedian zieht gegenüber ein gemäßigt sozialdemokratischer Koalabär ein. Der stellt natürlich sein Leben gehörig auf den Kopf. Frisch, frech und ein bisschen absurd!“ Das lasse ich jetzt einfach mal so stehen und kann abschließend nur sagen: „Frisch, frech und ein bisschen absurd“ ist „Qualityland“ eher nicht. Sondern krass durchdacht, fesselnd und mit größeren Prisen Humor und Zynismus. Und damit definitiv empfehlenswert.