Richtig krasse Satire

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marialein Avatar

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Herzlich willkommen in QualityLand. Hier fliegen einem zwar nicht die gebratenen Tauben in den Mund, dafür aber die sehnlichst gewünschten Produkte per Lieferdrohne direkt und genau zum richtigen Zeitpunkt vor die Haustür. Sogar das lästige Bestellen wird einem abgenommen, denn TheShop sendet dir einfach genau das, was du willst, selbst wenn du selbst von diesem Wunsch noch gar nichts weißt.

Auch schwierige Entscheidungen wie die der Partner- oder Freundewahl werden einem abgenommen. Man wird mit genau den Personen zusammengebracht, die zum Profil passen und auf dem gleichen Level sind. Welcher 20-Punkte-Qualitätsmensch will sich schon mit einem Nutzlosen unter 10 Punkten abgeben? Welcher Rassist will schon von seinen Freunden gesagt kriegen, dass er mit seiner Meinung total daneben liegt?

Peter Arbeitsloser betreibt einen kleinen Gebrauchtwarenladen und eine Schrottpresse. Doch so ganz genau nimmt er es mit seinem Auftrag, ausgediente Maschinen zu verschrotten, nicht: Immer wieder verschont er den einen oder anderen Roboter und lässt ihn in seinem Keller leben, wo sie den ganzen Tag Terminator gucken und sich gegenseitig belöffeln. Peter fühlt sich seinen Maschinen enger verbunden als seinen menschlichen Freunden und das kann man sogar nachvollziehen - Die Menschen bewegen sich immer nur in ihrem eigenen eingeschränkten Universum und merken gar nicht, dass sie genau das angeboten bekommen, was ihrem Profil entspricht, ohne jemals die Gelegenheit zu bekommen, über den Tellerrand hinauszuschauen. Die Maschinen hingegen entwickeln geradezu menschliche Eigenschaften, weil sie permanent mit verschiedenstem menschlichem Input versorgt werden.

Eine besonders menschliche Maschine ist John Of Us, der bei den Präsidentschaftswahlen für die Fortschrittspartei gegen den Favoriten, Conrad Koch von der Qualitätsallianz, antreten soll. Trotz seiner hohen Leistungsfähigkeit, wenn es um Berechnungen und Zugriff auf relevante Informationen geht, fällt es John schwer, die Bevölkerung für sich zu gewinnen, weil es ihm einfach nicht gelingen will, den Leuten die widersprüchlichen Halbwahrheiten und leeren Versprechungen zu servieren, die sie gern hören wollen.

Dass an einem solchen System etwas nicht stimmt, mag für den Leser eindeutig sein, für die betroffenen Charaktere bedarf es dabei jedoch einiger böser Überraschungen und, im Fall von Peter, eines rosafarbenen Delfinvibrators. Es gelingt dem machtlosen Einzelkämpfer, der Öffentlichkeit vorzuführen, was in QualityLand schief läuft - nämlich Peters Problem. Unterstützt wird er dabei von seinen Maschinen, dem paranoiden "Alten" und der attraktiven Kiki, die auf Loser wie Peter eine unwiderstehliche Anziehungskraft ausübt....

So erzählt hört sich die Handlung nur einen Bruchteil so abgedreht an, wie sich QualityLand tatsächlich liest. In die Erzählung mischen sich Pressemitteilungen und Auszüge eines Reiseführers für QualityLand, die dem Leser den ganz alltäglichen Wahnsinn näher bringen. Ehrlich gesagt fand ich manche Stellen etwas überzogen, aber immer wieder witzig.

Wie dicht die geschilderte Version an der heutigen Realität ist, darüber lässt sich streiten. Einiges klingt völlig an den Haaren herbeigezogen, anderes scheint tatsächlich eine realistische Weiterführung der heutigen Entwicklungen zu sein. Der Seitenhieb auf das iPhone 8 ist da mehr als deutlich, aber auch viele andere Anspielungen auf Partnervermittlungen, Einsatz von Robotoren im täglichen Leben, blinder Ausländerhass... kommen einem sehr vertraut vor.

QualityLand bietet viel Raum zum Diskutieren und Spekulieren, in erster Linie ist es aber vor allem eins: herrlich schräg und super witzig. Insofern bleibt der Autor seiner Linie aus der Känguru-Trilogie treu. Auch darauf gibt es immer wieder Anspielungen, die mich sehr zum Lachen gebracht haben. Persönlich fand ich QualityLand nicht ganz so lustig wie das Känguru, aber weit ist es nicht davon entfernt.

Der Roman bietet definitiv gute Unterhaltung und regt auch ein bisschen zum Nachdenken über die heutige Gesellschaft an. In gewisser Weise ist es vielleicht das, was der famöse Delphinvibrator für Peter ist - der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt und die Menschen endlich zum Umdenken animiert. Schließlich deutet die Gestaltung des Buchcovers nicht umsonst an, dass noch Hoffnung besteht und in QualityLand doch auch ein wenig EqualityLand steckt. Und wenn das mit dem Umdenken doch nicht so recht klappt, hat man eben einfach seinen Spaß beim Lesen!