Willkommen in QualityLand

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jule921 Avatar

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»Wenn man über die Zukunft schreibt, läuft man Gefahr, dass einen die Gegenwart überholt.« — Marc-Uwe Kling.

Kling hat sich eine interessante aber auch erschreckende Zukunftsvision ausgedacht. Die Story erinnert ein wenig an Lego Movie. Hier ist alles super ♫♪

Nach zwei ökonomischen Krisen entschied die Regierung mithilfe von Unternehmensberatern von Big Business Consulting (BBC) und den Kreativen von WeltWeiteWerbung (WWW) einen neuen Anstrich zu verpassen. QualityLand war geboren. Mit neuem Image, neuen Helden und einer neuen Kultur. Mit seiner Gründung begann auch eine neue Zeitrechnung: QualityTime. Die Hauptstadt wurde zu QualityCity umbenannt und auch die Einwohner sollten keine Standardmenschen mehr sein, sondern Qualitätsmenschen.

Alles wird von Algorithmen optimiert. Kinder erhalten als Nachname den Beruf ihrer Eltern zugeteilt. So auch Peter Arbeitsloser. Persönliche digitale Assistenten übernehmen das Denken der Menschen. Peters Assistent heißt Niemand. Er hat für Peter Freunde ausgesucht, die anhand Interessen und Vorlieben am besten zu ihm passen. Reserviert automatisch Restaurants für gemeinsame Treffen für den Freundeskreis, bestellt den passenden Burger. Bezahlt wird mit einem Kuss auf das QualityPad (viel fälschungssicherer als der Fingerabdruck). Selbstfahrende Autos wissen, wo er wohnt. Das QualityPad warnt vor Personen mit Vorstrafenregister und empfiehlt Peter einen Sicheren nach Hause weg. TheShop weiß ganz genau was er sich wünscht und liefert per Drohne direkt an die Haustüre.

Trotzdem perfekter Organisation beschleicht den nicht gerade sympathischen Protagonisten, Maschinenverschrotter Peter, immer mehr das Gefühl, dass mit seinem Leben etwas nicht stimmt.
„Peter mag seine Freunde. Aber manchmal, er weiß nicht warum, da kriegt er einfach schlechte Laune, wenn er mit ihnen abhängt.“ ( S. 11)
„Es hat Peter trotzdem nicht geschmeckt.“ (S. 10)
„Ohne weitere Fragen nach Weg oder Adresse fährt das Auto los. Man kennt sich. Oder zumindest kennt das Auto Peter.“ ( S. 12)
„Peter hätte nicht gedacht, dass er sich ein neues QualityPad gewünscht hat. Muss ein unbewusster Wunsch gewesen sein.“ (S. 16)
Als er auch noch einen rosaroten Delfinvibrator erhält, beginnt er gegen das System anzukämpfen.

Klings Zukunftsprojektion basiert klar auf den aktuellen Entwicklungen unserer Zeit, die er auf die Spitze treibt und mit typischen trockenen Humor präsentiert.
Der Schreibstil ist sarkastisch, ironisch, völlig überspitzt – allerdings ist so eine Zukunft durchaus realistisch. Die Geschichte ist sehr lustig, regt aber auch zum Nachdenken an. Sieht so wirklich unsere Zukunft aus? Anfangs bin ich etwas über die ungewöhnliche Namensgebung (vor allem über den Assistenten namens Niemand) gestolpert, was sich aber schnell gelegt hat. Der Text wird immer wieder durch informative Reisehinweise und Werbetafeln unterbrochen, was die Geschichte etwas auflockert. Mir gefällt Klings lockere und lustige Art, auf gesellschaftskritische Themen hinzuweisen.

Das Cover ist schlicht, gefällt mir aber dennoch sehr gut. Es gibt zwei Versionen: dunkel und für Optimisten eine helle Variante. Wobei mir das dunkle Cover ein bisschen besser gefällt. Die inhaltlichen Unterschiede der beiden Bücher, kann man im Internet nachlesen. Leider funktioniert der Link noch nicht.

Klings Stil mag man, oder eben nicht. Daher wird wohl nicht jeder meiner Rezension zustimmen. Klare Kauf- und Leseempfehlung auf jeden Fall für Fans der Känguru-Reihe, sowie Leser, die gerne in ausgefallener Literatur schmökern.