"...zu wahr um lustig zu sein."

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courfeyrac Avatar

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Gute Satire zeichnet sich dadurch aus, dass man sich beim Genuss gleichzeitig herrlich unterhalten und zutiefst schockiert, ja geradezu wachgerüttelt fühlt. So ging es mir auch bei der Lektüre von Marc-Uwe Klings neuestem Streich „QualityLand“. Wie Peter, die Hauptfigur, selbst sagt: „Das ist zu wahr um lustig zu sein“.

Das Buch muss zunächst gegen den unglaublich starken Vorgänger, die Känguru-Trilogie, ankämpfen. Viele werden sich gefragt haben, ob das Känguru und sein Mitbewohner auch hier vorkommen, doch es wäre unfair, Herrn Kling nur auf dieses Werk festzulegen. Soviel sei verraten, das Känguru wird kurz erwähnt, allerdings nur als kurze Randnotiz.

Vordergründig hat Marc-Uwe-Kling hier eine dystopische Zukunfts-Vision vorgelegt in der Algorithmen alles bestimmen. Menschen werden durch undurchsichtige Faktoren bewertet und dementsprechend gestaltet sich ihr Umfeld und die Lebensumstände, was wiederum das persönliche Rating beeinflusst. Der Mensch ist in den Logarithmen gefangen und lässt sich relativ passiv von der Technik treiben. Zwar lässt einen die Technik scheinbar hier und da einige Entscheidungen selbst treffen, aber meist steht das Ergebnis doch schon fest. Bezeichnenderweise gibt es auf viele Ja/Nein Fragen als einzige Antwortmöglichkeit „Ok“.

Ein unbedeutend scheinendes Ereignis lässt in Peter Zweifel am System aufkommen. Er bekommt etwas, was er nicht will. Hat die Technik einen Fehler gemacht? Er versucht den Kampf gegen die Windmühlen. Legt sich wie Michael Kohlhaas mit den Mächtigen an. Doch in dieser Welt darf es keinen Zweifel am System geben, sonst stürzt alles in sich zusammen. Eine „Schöne neue Welt“ nach Aldous Huxley mit der Propaganda aus „1984“ von George Orwell aber im Kontext eine Welt, die unserer Gegenwart erschreckend nahe steht. Haben wir wirklich den Zeitpunkt überschritten, an dem technologischer Fortschritt die Fantasie der Autoren überholt hat, an dem Entwicklungen früher eintreten als von klugen Köpfen vorausgesehen?
Am Ende steht die Frage, wer bestimmt über das Individuum. Wer ist Kunde, wer ist Produkt?

Mit dem Leseeindruck konnte man den Wunsch äußern, ob man lieber das gedruckte Buch, das E-Book oder die Audio-Version möchte. Ich habe mich für das gedruckte Buch entschieden, obwohl ich Marc-Uwe Klings unschuldig trockene Art live zu erzählen auch sehr gerne mag. Zu jedem Format gibt es darüber hinaus zwei Versionen im schicken stabilem Einband mit Goldprägung. Eine helle (grau für Optimisten) und eine dunkle (schwarz für Pessimisten). Es gibt jedoch online die Möglichkeit, die unterschiedlichen Zwischentexte (Werbung, Berichte und Kommentare aus QualityLand) nachzulesen, so dass man nichts aus der jeweils anderen Version verpasst.

Ich bekam die helle Version, trank dazu aber schwarzen Kaffee. Letztendlich gefiel mir dann die helle Version sogar besser als das, was ich von der dunklen gelesen habe. Da hatte der Logarithmus wohl recht. Oder war das auch eine selbsterfüllende Prophezeiung?