Überambitionierte Fortsetzung mit zu viel Offenheit

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Der Thriller „Qube“ von Tom Hillenbrand ist die Fortsetzung von dem sehr lesenswerten ersten Teil „Hologrammatica“. Allerdings entfaltet „Qube“ leider keine solche Sogwirkung beim Lesen und wird zudem ziemlich verschachtelt erzählt, weil fünf Handlungsstränge miteinander verschränkt werden, was zahlreiche Perspektivwechsel zur Folge hat. Dies gestaltet die Lektüre recht anspruchsvoll. Etwas schade fand ich auch, dass die Hauptprotagonisten aus dem ersten Teil, Galahad Singh und Juliette Perotte, nur kurz am Rande erwähnt werden, ohne als handelnde Figuren aufzutreten. Nach meiner Einschätzung empfiehlt es sich, den ersten Teil bereits gelesen zu haben, um schneller einen Einstieg in die komplex gestaltete Zukunftsvision zu finden. „Qube“ scheint eine Art Zwischenband zu sein, ich vermute, dass noch mindestens eine weitere Fortsetzung folgt. Doch nun zum Inhalt.
Der erste Handlungsstrang ist der um Calvary Doyle, einen Investigativjournalisten, der auf offener Straße umgebracht wird und daraufhin als Quant mit Gedächtnislücken wiederaufersteht. Er war dabei, zum Thema Künstliche Intelligenz zu recherchieren und hat eine heiße Spur entdeckt, die ihm das Leben gekostet hat. Nach seiner Konversion versucht er die Rechercheergebnisse der letzten Wochen zu rekonstruieren. In einem weiteren Handlungsstrang steht UNO-Agentin Fran Bittner im Zentrum, die auf KI-Gefahrenabwehr spezialisiert ist, und Doyle beschatten soll. Sie macht schon bald eine äußerst brisante Entdeckung im All. Eine weitere Hauptfigur, von der parallel erzählt wird, ist Clifford Torus, ein reicher Industrieller, der das sog. Descartes-Rätsel lösen will, damit sich Quants länger als nur drei Wochen außerhalb ihres Stammkörpers in einem Gefäß aufhalten können. Sollte er Erfolg haben, ließe sich der Tod überlisten. Clifford schreckt vor nichts zurück, um der Lösung näherzukommen. Eine weitere Parallelhandlung ist die um die Gamerin Persia und ihrem Gamer-Freund Jay. Sie nimmt in äußerst realistischen Holo-Simulationen an diversen Turnieren teil, blickt auf eine erfolgreiche Spielerkarriere zurück, leidet aber gerade unter einem Formtief. Sie erhält aber plötzlich die Chance, an einem sog. Ludorama-Turnier teilzunehmen, bei dem eine nahezu perfekte holographische Kampfspiel-Arena simuliert wird. Nicht zuletzt begleiten wir in einem weiteren, äußerst mysteriös gestalteten Erzählstrang den Auserwählten Franek und seine Begleiterin Marya auf ihrer Reise in das Königreich des blauen Zauberers, um diesem eine Botschaft des gelben Zauberers zu überbringen.
[AB HIER SPOILERWARNUNG] Insgesamt reicht der Roman leider nicht an den ersten großartigen Teil heran, was verschiedene Gründe hat. Ein Grund ist, dass der Autor es meiner Meinung nach leider nicht schafft, die fünf erwähnten Handlungsstränge so miteinander zu verbinden, dass klar wird, wie genau sie nun eigentlich zusammenhängen. Einerseits tritt die Handlung um Calvary Doyle im Laufe des Buchs total in den Hintergrund und spielt dann gar keine Rolle mehr, andererseits bleiben für mich zu viele Hintergründe zu Clifford Torus unerwähnt, die wichtig wären, um sein Handeln besser zu verstehen. Wie ist er z.B. an den gelben Würfel gelangt? Was es mit Franek und Marya auf sich hat, bleibt völlig im Dunkeln. Ich hatte zwar während des Lesens mehrere Vermutungen, was es mit den beiden auf sich hat, doch konnte ich sie weder verifizieren noch falsifizieren, weil das Gelesene zu wenig eindeutige Informationen und zu wenig Kontext bot. Wann und wo soll z.B. diese Handlung spielen? Ich hatte das Gefühl, als wäre der Roman auf der einen Seite stellenweise überfrachtet und als könnte der Autor auf der anderen Seite seinen eigenen Ansprüchen nicht gerecht werden. War „Hologrammatica“ noch eine echte Offenbarung und konnte eine Sogwirkung, vor allem gegen Ende, entfalten, kann man dies von „Qube“ nicht behaupten. Insbesondere die Idee des Ludorama konnte mich nicht genügend mitreißen. Mir bleibt auch zu viel am Ende offen. So bleiben die Pläne der KI für mich zu nebulös, das Rätsel um den Lichtdom sowie die Hardlights und um den Verbleib von Galahad Singh bleibt ungelöst. Auch bleibt unklar, was aus Perrotte geworden ist. Die einzige Erklärung, die ich für die Konzeption dieses Romans in dieser Form habe, ist, dass der Autor noch mindestens einen weiteren Teil plant, in dem die vielen rätselhaften Dinge genauer aufgeklärt werden. Aufgrund meiner hohen Erwartungshaltung war ich von „Qube“ doch recht enttäuscht.

Fazit: Eine mittelprächtige Fortsetzung von „Hologrammatica“, erneut mit vielen kreativen Ideen, was die futuristische Welt betrifft, doch leider dieses Mal ohne echte Sogwirkung und mit zu vielen offenen Fragen am Schluss.