„Die Großmutter Europas“

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sikal Avatar

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Die australische Historikerin Julia Baird promovierte mit einer Arbeit über Frauen in der Politik, heute arbeitet sie als Moderatorin und Journalistin. Mit ihrer Biographie über Queen Victoria (1819 – 1901) zeigt sie uns ein außergewöhnliches Bild einer beeindruckenden Persönlichkeit. Die Autorin hat eine Menge an Recherchematerial aufbereitet, wobei viele private Briefwechsel der Königin von den Erben vernichtet wurden.



Das Buch ist in fünf gut strukturierte Teile gegliedert und zeigt anfangs das Leben in ihrem Elternhaus nach dem Tod des Vaters, Kämpfe mit der Mutter und deren Vertrauten John Conroy, der Victoria massiv unter Druck setzte, um selber zu Macht und Ansehen zu gelangen. Das Verhalten der Mutter in diesem Konflikt war sehr enttäuschend und zeigt wenig Mitgefühl oder Verständnis für die junge Victoria. Verständlich, dass sie immer auf der Suche nach einem Menschen ist, dem sie blindlings vertrauen kann. Erst findet sie in Lord Melbourne einen verständnisvollen Freund und später dann in ihrem Ehemann Albert.



Interessant, dass sie sich als junge Königin an ihren Berater Melbourne klammert, der ihr Lehrmeister im Regieren ist, ohne zu merken, dass sie ihre Eigenständigkeit aufgibt. Als sie Prinz Albert von Sachsen-Gotha heiratet, zeigt sie anfangs noch die Monarchin – doch ihr Mann ist definitiv der bessere Stratege und nutzt die Gunst der Stunde, um sich in den Vordergrund zu drängen. Somit wurde Albert als „heimlicher König“ gehandelt. Nach seinem Tod versinkt sie in einem tiefen Loch und findet erst nach einer langen Trauerphase ihre Stärke und ihren eigenen Weg.



Wie sie ihr Witwendasein erlebt, mit welchen psychischen Problemen sie zu kämpfen hatte und wie sehr sie sich nach Zuneigung sehnte, zeigt die Autorin sehr ausführlich. Es wird auch ihre Freundschaft zu John Brown und Abdul Karim in den Fokus gerückt. Während sie um John Brown letztlich wieder aufgrund seines Todes trauern musste, enttäuschte sie der Hochstapler Abdul Karim.



Die neun Kinder Viktorias und Alberts wurden strategisch wichtig vermählt und mussten zum Teil ein unglückliches Leben fristen. So breitete sich auch die Bluterkrankheit im europäischen Hochadel aus.


Julia Baird hat hier eine Top-Biographie über eine sehr interessante historische Persönlichkeit verfasst, gibt einen Einblick in das viktorianische Zeitalter, die technische Entwicklung und die politische Veränderungen.

Ergänzend findet man einige Bilder, eine Stammtafel und einen sehr ausführlichen Anhang mit weiterführender Literatur.

Für diese informative, ausführliche Biographie vergebe ich gerne 5 Sterne und eine Leseempfehlung.