✎ Kathrin Köller & Irmela Schautz - Queergestreift

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jecke Avatar

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Dieses Buch habe ich gefühlt ewig gelesen.
Es enthält eine Masse an Informationen - und dennoch fehlen sie mir an manchen Stellen.

Bei fast jedem Buchstaben werden Anlaufstellen in Deutschland, Österreich und der Schweiz genannt. Leider sind manche bereits nicht mehr aktuell, aber dafür können die Autorinnen ja nichts.
Doch was mich wirklich stört, ist die Tatsache, dass die meisten Anlaufstellen für Jugendliche und junge Erwachsene (bis maximal 30 Jahre) sind - oder für Eltern von betroffenen Kindern / Jugendlichen. Was ist mit den Älteren (Betroffenen) unter uns, die erst jetzt die Möglichkeit haben, sich zu informieren und zu vernetzen? Die werden in dieser Lektüre leider außen vor gelassen. Dabei ist es für sie ebenso wichtig, im Leben anzukommen.

An manchen Stellen gibt es Checklisten für Familie und Freunde/Freundinnen. Wenn man sich also nicht bereits in der LGBTQIAP+ Community bewegt, sondern gerade erst anfängt, sich dafür zu interessieren und merkt, dass man an sich selbst arbeiten möchte, können diese hilfreich sein.

Der Schreibstil ist ehrlich und schonungslos. Sprachlich ist es vorwiegend für junge Leute geschrieben, denn die Autorinnen verwenden die Alltags- / Umgangssprache und viele englische Begriffe. Das war teilweise etwas nervig, da nicht alle (englischen) Begriffe erklärt werden und ich somit oft das Telefon in der Hand hatte, um nachzuschauen.
Andere Erklärungen hingegen werden unnötig oft wiederholt.

Ich hätte daher ein Vokabular am Ende, in dem alle wichtigen Begriffe nochmal gebündelt kurz erklärt werden, als hilfreich empfunden - ohne erst ewig nochmals durchs Buch blättern zu müssen.

Außerdem fände ich einen Kalender, in dem alle "Feiertage" dieser Community verzeichnet sind, toll.

Vor kurzem habe ich in einem Hörbuch gehört, dass manche mittlerweile LGBTQIAP+ sagen. Im Buch werden Bi & Pan weiterhin zusammen vorgestellt. Daran merkt man einfach, dass alles noch im Wandel ist. Nichts ist in Stein gemeißelt. Alles kann, nichts muss.

Und genauso ist es mit der Identitätsfindung. Kinder, Jugendliche, Erwachsene müssen sich weder heute, noch morgen, noch nächstes Jahr festlegen, wer sie sein möchten.

»Aber unsere Gesellschaft ist besessen davon, Menschen als Allererstes in die eine oder die andere Schublade zu packen. Die Arzthelferin ist nicht allein mit der Irritation, die entsteht, wenn die Schublade plötzlich klemmt, Arme und Beine raushängen oder die Person einem gleich aus beiden Schubladen entgegenlächelt. Aber diese Irritation, dass ich einfach nur einen Menschen vor mir habe und ihn nicht sofort einordnen kann, ist absolut aushaltbar und verschwindet, wenn man seine Schubladen in offene Regalflächen umbaut.« (S. 158)

Von mir gibt es trotz genannter Kritikpunkte eine Leseempfehlung an alle Interessierten. Außerdem bin ich der Meinung, dass dies eine Lektüre für die Schulbibliothek sein sollte.

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