Interessanter Historischer Roman mit Schwächen

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dj79 Avatar

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Ich habe diesen 3. und letzten Teil der Serie „Quintus - Das Leben eines Hochbegabten“ gelesen, ohne die beiden Vorgängerbände zu kennen. Rückblickend kann ich das nicht empfehlen, da mir der Einstieg in den Roman sehr schwer gefallen ist. Es dauerte über 150 Seiten, bis ich mich einigermaßen zurechtfinden konnte. Ich war kurz davor aufzugeben, was mir eigentlich widerstrebt. Glücklicherweise habe ich dennoch durchgehalten und so die zwar mit Schwächen durchsetzte, aber doch sehr interessante Lektüre irgendwie genossen.

Gefallen hat mir die offensichtlich gute historische Recherche und in der zweiten Buchhälfte auch die Verbindung des Historischen mit der privaten Geschichte von Quintus Schneefahl. Besonders gemocht habe ich die Kapitel, die sich mit den angenommenen Mädchen und ihrer Förderung durch Quintus beschäftigen. Tragisch, weil irgendwie erschreckend und Angst einflößend, ist für mich persönlich die zufällige Gleichzeitigkeit meiner Lektüre mit der Ministerpräsidentenwahl von Thüringen im Februar 2020.

Nicht ganz so gut gefallen hat mir, der für den Einsteiger bzw. der zumindest für mich fehlende Rote Faden im 1. Drittel. Der Wechsel zwischen historischem Bericht und Schneefahls Privatleben erfolgte in diesem Abschnitt ungünstig für mein Leseverständnis. Immer, wenn ich dachte, „so langsam verstehe ich“, kam der Wechsel und ich war wieder raus. Im Verlauf nahm dieses Hemmnis ab, wodurch es mir besser gelang, der Geschichte zu folgen.
Interessant, aber doch auch merkwürdig oder besser gesagt ungewöhnlich fand ich die Realisierung der Liebesgeschichte aus der Sicht von Quintus, aus der Perspektive eines Mannes und den damit verbundenen Prioritäten und Schwerpunkten. Dabei habe ich das Rollenverständnis zu Zeiten der Weimarer Republik als glaubwürdig empfunden. Von der Persönlichkeit eines Hochbegabten hatte ich mir mehr Konfliktpotenzial erhofft. Aufgrund der Beschreibung des Romans hatte ich deutlich mehr Schwächen bezüglich seiner Sozialkompetenz erwartet.

Sprachlich kam ich gut zurecht mit dem Stil von Thomas Persdorf. Stutzig machten mich nur von Zeit zu Zeit auftretende Formulierungen wie, „... wie es eben damals üblich war ...“ oder „... des schon damals berühmten Berliner Zoos ...“. Damit kehrt Thomas Persdorf ins kurzzeitig ins heute zurück, obwohl der Leser gerade mitten in der Historie unterwegs ist. Gern verzeihe ich das etwas höhere Auftreten von Rechtschreibfehlern. Das passiert manchmal auch den großen Verlagen.

Trotz der aufgeführten Schwächen respektiere ich die Arbeit, die der Autor in diesen historischen Roman gesteckt hat. Es ist regelrecht zu spüren, mit welchem Ehrgeiz, mit welcher Leidenschaft und Engagement Thomas Persdorf ans Werk gegangen ist.