Schlimm und vertrackt

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r.e.r. Avatar

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„Wir sehen uns“ war die letzte Nachricht die Stella über Snapchat erhalten hat. Mit einem Foto von ihr selbst hinter der Erfrischungstheke des Kinos. Den Absender kennt sie nicht. Trotzdem spürt sie neben dem Unmut über den lächerlichen Snap auch Unbehagen. Wer fotografiert sie unerlaubterweise bei ihrem Job? Wenig später ist das Kino menschenleer bis auf Stella, die sich bereit erklärt hat, das Aufräumen allein zu übernehmen. Ein fataler Fehler, denn so hat ihr Mörder leichtes Spiel.

Wer die Krimis von Yrsa Sigurdadottir kennt, weiß, dass diese nichts für schwache Nerven sind. Auch im dritten Fall für Kommissar Huldar und Psychologin Freya geht es von Beginn an brutal zur Sache. Der Mord an der 16jährigen Schülerin wird in seiner ganzen Unmenschlichkeit geschildert. Es ist gut, dass man dazu keine Bilder hat. Anders als das Team um Huldar, dass sich den Mord per Snapchat-Video ansehen muss.

Auf ähnliche Weise wird dann noch ein weiterer Jugendlicher ermordet. Wie schon bei Stella stehen die Ermittler vor einem Rätsel. Es scheint keinen Zusammenhang zwischen den beiden Schülern zu geben. Ebenso dunkel bleibt das Motiv. Was könnten die beiden Teenager getan haben, um einen solchen Hass auf sich zu ziehen? Freya kommt schon früh ein Verdacht. Könnte es sich um einen Racheakt wegen Mobbing handeln?

Fast am Ende des Buches lässt Sigurdadottir ihre Figur Freya folgendes denken: „Dieser ganze Fall war so schlimm und vertrackt.“ Ich musste gedanklich zustimmen. Das Freya mit ihrem Verdacht Recht hat, ist sehr schnell klar. Trotzdem geht Erla, die neue Ermittlungsleiterin, abwegigen Spuren nach. Sie ist eifersüchtig, weil Huldar trotz des One-Night-Stands mit ihr, mehr Interesse an Freya hat. Neid und Missgunst beeinflussen ihre Entscheidungen. Aus diesem Grund lässt sie Huldar und seinen Kollegen Gudlaugur zunächst auch nicht an den Ermittlungen teilhaben. So stoßen die beiden eher zufällig auf Hinweise, die den Fall entscheidend voran bringen. Ich habe mir beim Lesen mehr als einmal gedacht, dass hier viel dichterische Freiheit am Werk ist um ein so unprofessionelles Vorgehen zu rechtfertigen.

Insgesamt liest sich aber auch dieser dritte Fall des Duos Huldar/Freya sehr gut. Sigurdadottir schreibt flüssig und gut lesbar. Der Plot ist spannend, wenn er auch, wie ich fand, der Problematik des Mobbing nicht ganz gerecht wird. Zu viele persönliche Befindlichkeiten der Ermittler stehen zu wenigen tiefen Einblicken in die Psyche der Opfer gegenüber. Am Ende bleibt vieles klärungsbedürftig. Der nächste Band der Reihe liegt schon vor und daher ist das offene Ende durchaus verständlich. Mich hat der Ausgang dennoch enttäuscht. Weil ich aber wissen will, wie es mit Huldar und Freya weitergeht, werde ich den vierten Band natürlich lesen.