Endzeitthriller der Extraklasse

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laberladen Avatar

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Beinahe gemächlich schaut man anfangs auf das, was ohne Strom und Wasser und ohne technische Hilfe hauptsächlich in Wellendingen, aber auch in Schweden und andeutungsweise in anderen Ecken der Welt passiert. Geschehnisse werden ausführlich erzählt, ohne reisserische, oberflächliche Spannung zu erzeugen. Man hat aber das Gefühl, auf so etwas wie einen schlimmen Verkehrsunfall zu starren. Obwohl alles in Zeitlupe zu passieren scheint, ist man wie gelähmt und zu fasziniert von dem Grauen, um wegsehen zu können. Dann entwickelt sich ein Sog, der einen zwingt, immer weiter zu lesen.

Die Personen des Buches mit ihren vielschichtigen Persönlichkeiten, die angesichts der so radikal geänderten Lebensumstände manchmal anders reagieren als man erwarten könnte, machen das Buch so besonders. Man kennt diese Leute, erkennt sich selbst wieder, und fragt sich, was man selbst in so einer Situation machen würde.

Gerade die aktuellen realen Ereignisse haben das Buch für mich noch lebensnaher wirken lassen. Manchmal habe ich bezweifelt, dass die Menschen so schnell in mittelalterlich anmutende Verhaltensweisen zurückfallen würden, dass sich jeder selbst der Nächste ist in unserer ach so aufgeklärten modernen Welt.
Dann fiel mir die Vulkanaschewolke ein, die kürzlich über uns weg gezogen ist. Da fallen eine Woche lang alle Flüge in Europa aus und schon versinkt der Alltag für die Flugreisenden im Chaos. Plötzlich werden Mitfahrgelegenheiten im Auto für tausende von Euros verkauft und die Findigsten unter den Geschäftsreisenden entwickeln ganz neue Reiseideen. Taxifahrer bekommen Fahrten quer durch den Kontinent angeboten und verzehnfachen die Preise.
Oder noch aktueller: In Griechenland soll radikal gespart werden und das reicht schon als Anlass dafür, dass drei Bankangestellte dafür mit ihrem Leben bezahlen müssen, darunter eine schwangere Frau.
Und plötzlich scheint einem das, was in Wellendingen passiert, nicht mehr so weit hergeholt, sondern könnte ganz genau so ablaufen.

Am Ende bleibt die Erkenntnis, wie zerbrechlich das Leben ist und wie dünn die Linie, die unsere Zivilisation mit ihrer Medizin, Rentenversicherung und Internet vom nackten Überlebenskampf und Jeder-gegen-Jeden trennt.

"Rattentanz" hat mich fasziniert und zum Nachdenken angeregt. Ein deutscher Endzeitthriller der Extraklasse.