Rattentanz

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Ein ganz normaler Morgen in einem kleinen verschlafenen Nest, nahe der schweizerischen Grenze, Eva Seger bereitet alles für die Dienstreise ihres Mannes Hans vor. Sie verabschieden sich, er fliegt nach Schweden und sie bringt erst die gemeinsame Tochter zu befreundeten Nachbarn und fährt dann in die nächst größere Kreisstadt ins Krankenhaus zur Arbeit.

Punkt sieben Uhr am Morgen des 23. Mais hört die Welt wie wir sie kennen auf zu existieren, denn ein global operierender Virus legt sämtliche Stromversorgung und Erzeugung still. Flugzeuge stürzen vom Himmel, Supermärkte und Banken öffnen nicht mehr. Einige Stunden nach diesem Vorfall beginnen die Menschen zu realisieren das das kein vorübergehender Zustand ist, das Geld nichts mehr wert ist und aus Freunden plötzlich Feinde im Kampf ums Überleben werden. Auch Eva befindet sich in einem Zwiespalt, auf der einen Seite möchte sie so schnell wie möglich zurück zu ihrer Tochter, auf der anderen Seite kann sie aber die bedürftigen Patienten nicht einfach ohne Hilfe zurücklassen. Hans hat es sogar noch schwerer, ist doch die einzige Landverbindung von Skandinavien nach Deutschland in Folge der Katastrophe unpassierbar geworden. Er startet ein waghalsiges Manöver um wieder zurück nach Deutschland und Wellendingen zu kommen.

 

 

Rattentanz- der Titel für dieses Buch hätte nicht treffender gewählt werden können. Eine Geschichte apokalyptischen Ausmaßes erzählt uns der Autor. Anschaulich beschreibt er den Überlebenskampf der Einwohner Wellendingens, insbesondere der Familie Seger und ihrer Nachbarn. Allen Figuren gibt er genügend Spielraum sich zu entfalten, ohne das die Fülle an Personen überhand nimmt, das liegt aber zum Teil auch an der sehr chronologisch gehaltenen Kapitelwahl. Für dieses Buch, das einem Endzeitdrama gleicht, finde ich den Umfang und die detaillierten Beschreibungen mehr als angemessen. Sehr gefallen haben mir die Interpretation der Gewissens- und Interessenkonflikte und die Fülle an unterschiedlichen Charakteren und Persönlichkeiten. Im ersten Moment mag seine Darstellung blutrünstig, brutal und weit hergeholt wirken, aber es ist nicht nur Fantasie und Science Fiktion die hier das Buch füllen. Anders als nach der großen Naturkatastrophe in Japan vor einem viertel Jahr, wo die Bevölkerung bewundernswert diszipliniert sich ihrem Schicksal ergaben, sah es vor 6 Jahren, als der Hurrikan Katrina in New Orleans wütete, ganz anders aus. Dort musste das Kriegsrecht verhängt werden und Plünderer durften offiziell erschossen werden. Genau solche Situationen beschreibt Tietz sehr eindrücklich und plastisch.

 

Dieses Buch hinterlässt Spuren und regt deutlich zum Nachdenken ein. Vielleicht sollte man seinen allzu sorglosen Umgang in unserer heutigen Konsumgesellschaft hinterfragen. Ich z. Bsp. wüsste nicht, welche Wildkräuter schmackhaft sind bzw. wie ich mich persönlich in so einer Situation verhalten würde.