Berührend

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kindder80er Avatar

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Normalerweise lese ich Mysterygeschichten, historische Romane und am liebsten Literatur zum Schmunzeln, da ich dieses Medium quasi zum "Abschalten" benutze - "Raum" gehört absolut nicht in diese Kategorien und hörte sich nach schweeerer Kost an. Jetzt, nachdem ich dieses Buch gelesen habe, bin ich absolut froh, mich darauf eingelassen zu haben!

Die ersten 50 Seiten waren holprig, nicht zuletzt wegen des Sprachstils. Außerdem muß man manche Absätze zweimal lesen, um endlich zu begreifen, was Jack nun genau damit meinte, z.b. mit "etwas kriegen", "Geschrei spielen" oder "dem Peterchen". Natürlich erklärt sich alles von selbst und irgendwann hat man den kleinen Jack so gut kennengelernt und ist in seine kleine Kinderseele hinabgetaucht, daß man sofort weiß, was er bei anderen Beschreibungen meint. Überhaupt nimmt er den Leser im ersten Teil des Buches ausschließlich in seinen Alltag in Raum mit - so langweilig, eintönig und wiederholend sich das auch anhören mag: Es ist eben durch seine kindliche Naivität sehr berührend und fesselnd. Dabei ist der kleine Kerl überhaupt nicht unglücklich! Wenn seine Mutter "verschwunden" ist oder Old Nick abends das Bett quietscht hat er natürlich Angst und ist ein bißchen traurig, aber sobald "das Gesicht von Gott" morgens wieder Oberlicht hell macht, er von Ma "etwas kriegt", mit ihr kuscheln und spielen kann, ist er glücklich und hat alles, was er braucht. Klar, die ein oder andere Trotzigkeit bleibt nicht aus, dennoch ist er ein gut erzogener Junge, der auf sich, seine kleine Umwelt und seine heißgeliebte Mutter achtet.

Es hat mir fast das Herz herausgerissen, als seine verzweifelte Mutter ihn mit einem verwegenen Fluchtplan konfrontiert: Jack will nicht ins "Draußen" - bis vor kurzem wusste er ja noch nicht einmal, daß es ein "Draußen" gibt! Seine eindringliche Mutter konnte ich verstehen, aber auch Jack!

Ich spoilere nicht, wenn ich sage, daß die Flucht gelingt und Jacks persönliche Odyssee gerade erst beginnt, während die von Jack's Ma eigentlich beendet sein sollte...

Ich konnte das Buch ab den ersten Fluchtplänen wirklich nicht mehr aus der Hand legen. Zusammen mit Jack erkundete ich die Welt, "das Draußen", völlig neu und sah zu, wie alles auf ihn einprasselt. In diesem Zusammenhang ist mir ein Satz, der eigentlich kein Satz im eigentlichen Sinne ist, von Jack besonders im Gedächtnis geblieben: "Nichts stimmt."

Alles in allem ein Buch, das nachdenklich stimmt, durch das ich meine eigene Umwelt mit anderen Augen sehe und das absolut nachvollziehbar geschrieben wurde. Jederzeit kann man sich in Jack oder auch seine Ma hineinversetzen - genau DAS ist es, was es so berührend macht!