Thriller mit interessanten Aspekten

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern
agathas Avatar

Von

Nachdem ich die Leseprobe gelesen hatte, war ich sehr gespannt auf dieses Buch. Mit den 1990ern spielt es zu einer Zeit, die noch nicht besonders lange her ist, über die ich aber selten lese. Denn für historische Romane ist es uns wohl noch zu nah, für aktuelle schon wieder zu weit weg. Insbesondere in den USA, die keinen so radikalen Umbruch wie Duetschland mit seiner Wiedervereinigung erlebten.
Thematisch kommt hinzu, dass die Aufklärung von Verbrechen an Sexarbeiter*innen und Prostituierten auch heute noch weit unten auf der Prioritätenliste von Polizei und Gesellschaft stehen und das wohl vor über 20 Jahren nicht besser gewesen sein wird. Von Beginn an war ich daher gespannt, wie Marie Rutkoski dies im Buch umsetzt.
Tatsächlich war ich erstaunt, dass es nur am Rande eine Rolle spielt. Ein, zwei Mal gibt es behämmerte Kommentare von Polizisten (bewusst männlich) über die Arbeit der Opfer. Aber hauptsächlich wird aus Sicht von anderen Striperinnen oder Angehörigen der Opfer berichtet, sodass sich die Abwertung der Stripperinnen in Grenzen hält.
Dafür gab es ein anderes Thema, dass ich nicht erwartet hatte und bei dem ich mich gefreut hätte, wenn es noch mehr Platz bekommen hätte: queere Sexarbeiter*innen. Eine der Frauen ist lesbisch und da auch aus ihrer Sicht erzählt wird, kann man diesen Widerspruch zwischen ihrer Sexualität und ihrer Arbeit, die sich hauptsächlich an heterosexuelle Männer richtet, gut nachempfinden.
Real Easy hat mir mit der teils vulgären Sprache und dem gleichzeitig sehr einfühlsamen Stil gut gefallen. So lag der Fokus weniger auf der Arbeit der Stripperinnen, bei dem sich vulgäre Ausdrucksweisen wohl kaum vermeiden lassen. Stattdessen wird deutlich, dass sie nur so sehr von ihrer Arbeit definiert werden, wie jeder andere Mensch auch und ihr Privatleben viel relevanter für sie ist.
Für Spannung sorgten vor allem die ständigen Perspektivwechsel zwischen Opfern, Ermittler*innen, Angehörigen und Freunden sowie dem Täter. So hatte man das Gefühl, ihm näher und näher zu kommen, tappt aber bis zuletzt im Dunkeln. Ich habe mitgefiebert und war mir immer mal wieder sicher zu wissen, wer der Täter ist – und lag doch ganz falsch.
Ein sehr spannendes Buch, das im Setting vielleicht nicht besonders ungewöhnlich ist (Krimis aus dem Rotlichtmilieu sind wohl nicht besonders selten), aber einige Aspekte beinhaltet, die ich nicht erwartete, mir aber sehr gut gefielen.