Der müde König

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robertp Avatar

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Das Titelbild ist auf den ersten Blick unspektakulär – alles rot. Blickt man näher hin, entdeckt man zwei Reiter, die auf eine kahle rote Festung zureiten.
Die Geschichte wird vom „Privatmann“ Karl erzählt. Karl ist eigentlich Karl V (1500-1558) Kaiser des Hl. Römischen Reiches und König von Spanien. Seine Titel hat er zurückgelegt und er lebt jetzt zurückgezogen in seinem Palast neben dem Kloster von Yuste, wo alle auf seinen Tod warten.
Karl ist alt und sehr krank – die Gicht plagt ihn. Schon ein Bad erfordert eine wissenschaftliche Übung in Hydraulik und Mechanik. Der Umgang mit seinen Mitmenschen erscheint mir mehr aus einem Meister gegen Knecht Verständnis zu entspringen. Männer und Frauen warten darauf ihn zu bedienen, der Tod (Geier) kreist schon über ihm, aber loslassen will er noch nicht. In seinem Spezialstuhl hält er Hof, sagt beleidigende Dinge und fühlt, dass er beleidigt, kann aber nicht anders.
Seinen Frieden findet er einzig im Schlaf und dieser wird ihm durch Laudanum (Opiumtinktur) ermöglicht. Und hier – im Schlaf - beginnt die Reise nach Laredo. Karl reitet mit dem Jungen Geronimo, seinem illegitimen Sohn, mit Pferd und Esel los. Auf Grund seiner Schmerzen muss er aber den Esel benutzen. Auf der Reise treffen sie ein Geschwisterpaar, retten es aus Kalamitäten und reisen gemeinsam weiter. Die Vier verbringen lange Zeit in einem Gasthof eines verlassenen Dorfes. Essen, Trinken und Kartenspielen wechseln einander ab, die Zeit scheint stillzustehen. Ein tragisches Vorfall führt letztlich zur Weiterreise nach Laredo (an der Atlantikküste im Norden Spaniens) wo sich Karl und Geronimo im Meer ein Bad gönnen.
Der Klappentext macht ziemliche Anspielungen auf Don Quijote und dieses Buch habe ich in meiner Jugend ganz gerne gelesen. Tatsächlich haben die beiden Bücher nur die Reise durch Spaniens Hinterland gemeinsam. Im Buch von Arno Geiger sind kaum komische Situationen zu finden. Der geschichtlich wahre Hintergrund wird literarisch durch die „Reise“ ergänzt. Geiger arbeitet die historischen Figuren im Roman zu Antagonisten der Queste um. Die karge Landschaft, das Leben der Menschen im Hinterland (.. des hohen einsamen Landes ..) Spaniens und die Lebensbedingungen der Cagots werden geschildert. Die Cagots waren Ausgestoßenen, die sich einem Enten- oder Gänsefuß aus Stoff anhängen mussten. Ihnen war ein normales Leben verwehrt, sie hatten keine Rechte – Analogien zum 20. Jahrhundert werden deutlich.
Die Reise endet mit einer großen Welle, die über Karls Kopf hinweg bricht, der Exkaiser stirbt in seinem Bett in Yuste.
Für alle die Lust haben eine historische Figur in einer fiktiven, aber glaubhaften, Reiseerzählung kennenzulernen. Ich habe ziemlich viel über das Leben in Spanien im 16. Jahrhundert erfahren.