Lenchen Demuth bleibt mir ein Rätsel

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annajo Avatar

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Sankt Wendel, 1829: Lenchen Demuth wird von allen nur "Zitterhand" genannt. Sie ist ungeschickt und lässt regelmäßig Dinge fallen. Auch unter den Gleichaltrigen hat sie es nicht leicht. Die Familie lebt bereits in großer Armut, doch als der Vater plötzlich stirbt, wird alles noch schlimmer. So beschließt Lenchen mit ihren 8 Jahren, ihr Glück als Hausmädchen in Trier zu suchen. Sie wird in den Haushalt der von Westphalens aufgenommen, deren Tochter Jenny später den jungen aufstrebenden Revolutionär Karl Marx heiratet. Jenny nimmt Lenchen später in ihrem eigenen Haushalt auf und so reist Lenchen mit den Marxens von Trier nach Brüssel nach Paris nach London, immer auf der Flucht vor politischer Verfolgung. Während Karl Marx die Revolution predigt, lebt die Familie selbst in bitterer Armut und Lenchen versucht ihr Bestes, den Marxschen Kindern regelmäßig Essen auf den Tisch zu bringen. Durch ihre Leidenschaft zum Schach und ihren wachen Geist erweckt sie auch irgendwann Karl Marx' Aufmerksamkeit und verliebt sich in ihn. Doch ihr Leben wird auch weiterhin von Opfern, Verzicht und Ausbeutung geprägt sein ...

Im Nachwort berichten die Autorinnen davon, wie zeitgenössische Quellen Lenchen Demuth als starke Frau und mitunter als die Säule der Familie Marx bezeichnen. Sie soll sich stark mit dem Gedankengut Karls und Jennys identifiziert und dieses auch selbst vertreten haben. Leider konnte ich diese Person kaum im vorliegenden Buch finden. Lenchen wirkte auf mich oft hilflos, unterwürfig und naiv. Ihre eigenen revolutionären Gedanken wirkten komplett "nachgeplappert" und unbeholfen. Wie jemand für das Recht der Arbeiter einstehen will und sich selbst so hemmungslos ausbeuten lässt von einer Familie, die ihr zwar kaum Lohn zahlen kann, aber rettungslos auf ihre Hilfe angewiesen ist, wird mir auch weiterhin unverständlich bleiben. Anschaulich dagegen waren die Lebensbedingungen der Marxens und ihre ständigen Geldprobleme. Die historischen Gegebenheiten blieben aber leider zu oft im Hintergrund, genauso, wie oft unklar blieb, was Karl Marx eigentlich tat und worauf er und sein Freund Friedrich Engels eigentlich warteten. Die beiden wirkten hier nicht wie die großen Vordenker und Revolutionäre, sondern eher orientierungs- und planlos und immer vom Geld anderer abhängig für ihre eigene Lebenshaltung. Die Liebesbeziehung zwischen Lenchen und Karl Marx, aber auch die Freundschaft zwischen Lenchen und Jenny schrammten für meinen Geschmack so manches Mal arg an der Grenze zum Kitsch. Dagegen haben mich die Geschichten um die Kinder, besonders, wenn wieder eines starb, sehr mitgenommen.

Alles in allem war "Revolution im Herzen" für mich ein durchwachsenes Leseerlebnis. Von der im Nachwort beschriebenen loyalen, klugen und starken Frau habe ich in diesem Roman nur wenig wiedergefunden. Viele von Lenchens Handlungen blieben für mich nicht nachvollziehbar. Die Beschreibungen der Armut der Bevölkerung als auch der Familie Marx wirkten jedoch lebensnah und zogen mich schon immer wieder in die Geschichte. Nur die Protagonistin und die sie umgebenden Figuren blieben mir bis zum Schluss fremd.