Die Lindenblattstelle

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November 1972. Hilde eilt an einem feuchtkalten Samstag über den Münsterplatz in Bonn. Vorbei an Wahlplakaten die "Brandt muss Kanzler bleiben" fordern. Die Wirtin des "Rheinblick" lässt auf ihrem Weg die Gedanken schweifen. " Auch sie würde am Sonntag wählen. Es war bereits ihre fünfte Bundestagswahl: 1957 mit Adenauer als Bundeskanzler, 1961 erneut Adenauer, ab 1963 dann Erhard. 1965 wieder Erhard, schon 1966 von seiner CDU geschasst und nach der Bildung einer großen Koalition mit der SPD durch Kiesinger ersetzt. 1969 die CDU wie immer stärkste Partei, alles sah noch einmal nach Kiesinger und großer Koalition aus, aber dann Brandts auch für manche Genossen überraschender Coup mit der die Seiten wechselnden FDP. Und auch wenn dieser trübe Novembertag nach Vergänglichkeit roch, in der Politik standen die Zeichen auf Aufbruch. Für so was hatte Hilde ein Gespür, das hatte sie schon 1969 nicht getrogen. Diesmal würden die Roten gewinnen."

Als Wirtin eines Polit-Lokals kennt Hilde die "Lindenblattstellen" ihrer Gäste. Die ungeschützten schwachen Punkte, ebenso wie die Geheimnisse. Umso mehr ist sie darauf bedacht, ihre eigenen Gedanken für sich zu behalten und weniger preiszugeben, als sie weiß. Umso spannender ist es auch, mit ihr hinter die politischen Kulissen unserer einstigen Hauptstadt zu Blicken.

Brigitte Glaser schreibt flüssig, authentisch und bildhaft. Schon nach wenigen Sätzen ist man mitten im Geschehen. Meint gar, die schwarzen Knautschlackstiefel quietschen zu hören. Ich bin besonders neugierig auf das Buch, weil dieser historische Roman, eine Reise in die jüngere Vergangenheit unseres Landes ist. Eine Zeit, die ich zwar nicht mehr erinnere, zu der ich aber bereits auf der Welt war. Auf diesen Reinblick freue ich mich.