Karrieristen und ihre Probleme

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Bei Pharmariese Wenner ist die Kacke am dampfen - mehrere Kinder sind schwer erkrankt, alle haben Wenners neues Supermedikament Validolor eingenommen. Jetzt gilt es, das Firmenimage vor dem größten Schaden zu bewahren und da kommt Mats Holm ins Spiel, der PR-Profi mit dem signifikanten Spitznamen Master of Desaster. Ist Validolor wirklich gefährlich? Oder will jemand Wenner schaden? Und warum ist seit kurzem eine Mitarbeiterin des Unternehmens verschwunden? Für Mats Holm stellen sich nicht nur PR-strategische Fragen.

Die Idee, einen Kommunikationsexperten zur Hauptfigur eines Kriminalromans zu machen und sich damit von den vielen Polizisten, Privatdetektiven und Forensikern abzugrenzen, die sich in dem Genre tummeln, fand ich ursprünglich richtig klasse. Zumal Journalist Birand Bingül die Branche gut genug kennen dürfte, um dem Leser interessante Blicke hinter die Kulissen zu gewähren. Auch das Thema zieht, denn ein Skandal in der Pharmaindustrie ist nicht gerade reinstes Fantasieprodukt. Viel Potenzial für einen packenden Wirtschaftsthriller also und auch Platz für Emotionen und moralische Fragen.

Theoretisch. Sprachlich versiert und flüssig zu lesen, empfand ich die Umsetzung als recht stereotyp und höhepunktsarm. Neben vielen strategischen Besprechungen und Gerangel unter Alphatieren fielen die Entwicklung von Spannungsbogen und Protagonisten oft hintenüber.... vor allem die Protagonisten! Während die Damen allesamt in erster Linie gutaussehend sind, ist Mats Holm ein wandelndes Klischee, eine Art James Bond der PR-Branche, ein toller Hecht, der Frauen schwach macht, seinen Mule mit Wodka aber ohne Gurke trinkt und sich ansonsten mit den üblichen privaten Problemen herumplagt (tote Frau, schwierige Kindheit), diese aber ziemlich gut ignorieren kann. Jedenfalls bekam ich als Leser von seinen inneren Konflikten wenig mit und habe mich die meiste Zeit gefragt, welches Berufsverständnis er eigentlich hat. So ganz habe ich nicht verstanden, warum er überhaupt undercover herumschnüffelt. Dann gibt es da noch jede Menge aalglatte Managertypen, die hinter jedem kräftigen Handschlag eine Übernahmestrategie vermuten (was dem Leser ausführlich und oft dargelegt wird), eine Partnerin namens Laura May, von der ich nicht viel erfahren habe, eine Tochter, die unvermittelt nach einem Drittel der Handlung ins Spiel kommt, ein Hackerfreund, der alles kann. Ja, irgendwie kamen die Figuren hölzern und ehrlich gesagt recht überheblich und unsympathisch daher.

Das eigentlich hochemotionale Thema (kranke Kinder) wurde in meinen Augen nicht glaubwürdig angegangen. Zwischen viel nüchterner PR-Taktik, die anfangs noch ganz interessant war, aber nunmal kein ganzes Buch trägt, wirkten die "gefühlvollen" Passagen pflichtmäßig eingewebt und platt. ("Sylvie überwand die Starre, erhob sich und machte auf tauben Beinen den einen Schritt an Sophies Bett. Streckte die Hand aus. Nach Sophie. Ihrem Mädchen. Diesem tollen, fröhlichen Mädchen, das sich auf die Schule freute.")

Die wenigen Spannungsszenen sind handwerklich gut gemacht, aber auch hier fehlt Tiefe, die Verbindung zu den Protagonisten, um wirklich mitfiebern zu können. Ähnlich wie bei der Auflösung, die von der Grundidee her nett erdacht sein mag, aber a.) nichts Neues oder Überraschendes bietet und b.) vor dem Hintergrund einer brachialen Charakterzeichnung nahezu lächerlich wirkt. Gute Ansätze, aber insgesamt zu flach.