facettenreich

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stephanus217 Avatar

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Ich habe das Buch in Angriff genommen in der Erwartung, die Geschichte eines Meisterfälschers präsentiert zu bekommen, vielleicht mit Konrad Kujau oder Wolfgang Beltracchi als Vorbilder. Gelesen habe ich eine andere Geschichte:

Fakten:
Zentrales Objekt des Romans ist ein alter Meister, „Die Malkunst“ des niederländischen Malers Jan Vermeer (1632-1675). Das Bild ist wohl um 1670 entstanden. Seit Beginn des 19. Jh. war das Bild im Privatbesitz eines österreichen Adelsgeschlechts, bis es 1940 unter nie ganz geklärten Umständen wohl in den Privatbesitz von Adolf Hitler gekommen ist; es hieß, daß es das Lieblingsbild Hitlers gewesen sein soll. 1946 kam das Bild dann in Staatsbesitz nach Wien, wo es seit 1952 im Kunsthistorischen Museum ausgestellt ist.

Inhalt:
Trotz großer Bedenken der Experten wird das Gemälde in einem befreundeten ausländischen Museum als Leihgabe ausgestellt und dort durch einen Bombenanschlag schwer beschädigt. Den Restaurationsauftrag erhält der Wiener Prof. Hartmann, der als überaus kompetent, sorgfältig und akkurat gilt. Nach einer ersten Bestandsaufnahme der Schäden, die er mit seinem Assistenten Finning durchgeführt hatte, geht er von einem knappen Jahr Arbeit aus. Diese Expertise kommt beim Auftraggeber, dem Kanzler persönlich, überhaupt nicht gut an. Als Narziß träumt er von einem autoritäreren Staat unter seiner Führung und hat das aufgrund seiner Vergangenheit insofern symbolträchtige Bild für sein Büro im Kanzleramt vorgesehen und will es bereits anlässliche des anstehenden Staatsbesuch aus China der Öffentlichkeit vorstellen. Er gibt deshalb den Restauratoren, unverhandelbar, 3 Monate Zeit für ihre Arbeit.

Da diese Vorgabe einerseits nicht zu erfüllen ist, andererseits Professor Hartmann nicht nur ein herausragender Restaurator, sondern auch selbst ein brillanter Maler ist und darüber hinaus der Kanzler beileibe nicht als Kunstkenner gilt, keimt die Idee auf, wie es denn wäre, wenn man, quasi auf die Schnelle, eine Koipe anfertigen würde, um diese dann dem Kanzler als Original unterzuschieben und dann in aller Ruhe die Arbeiten am Original durchführen zu können....

Résumé:
Eigentlich wollte ich, wie gesagt, einen Krimi aus der Kunstszene lesen. Vorgefunden habe ich eine Geschichte zwischen Raubkunst, Drittem Reich, politische Kapriolen eines narzißtischen Politikers und schließlich auch noch Kunst. Kopisten, Fälscher, Wahrhaftigkeit in der Kunstszene behandelt der Autor anhand des „künstlerischen Gewissens“ unseres Restaurators.
Das Buch liest sich flüssig und durchaus interessant, insbesondere die eingestreuten Dialoge zwischen den beiden Restauratoren sind hintergründig witzig, stellenweise auch richtig sarkastisch böse, wenn auch der allenthalben verbreitete „Wiener Schmäh“ schon gelegentlich nervt.
Ich hab am Ende nur den politischen Bezug nicht verstanden, was ein alter Meister mit dubioser Herkunft mit narzißtischer Politik zu tun hat.