Auf den Spuren der Familie

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"Das Leben ging weiter. Und auch diejenigen, die nicht mehr waren, blieben dabei. Solange man auf sie hörte."

Als Lorenz' Onkel Willi stirbt, soll sein letzter Wunsch erfüllt werden: Eine Beerdigung in seiner Heimat Montenegro. Doch als Willis Lebengefährtin Hedi beichtet, dass sie die 10.000€, die dafür eigentlich vorgesehen waren, in den veganen Onlineshop ihrer Tochter investiert hat, stehen Lorenz und seine drei Tanten vor einem Problem. Im Fiat Panda begeben sie sich also auf einen Roadtrip mit Leiche, der sie nicht nur quer durch den Balkan führt, sondern auch durch die bewegte Vergangenheit der Familie Prischinger.

Wieder einmal ist Vea Kaiser ein Roman voller schräger Charaktere gelungen, die man einfach gern haben muss. Klar, etwas flach gestalten sie sich schonmal - der lebensfremde Schauspieler Lorenz, die naturliebende Wetti, die aufgetackelte Mirl - aber das ist eigentlich ganz egal, da man sie alle einfach ins Herz schließen muss.

Die Schrulligkeiten der Personen erklären sich dann auch recht schnell aus ihrem bewegten Leben, in dem so einige große und kleine Tragödien stattgefunden haben. Auf der abenteuerlichen Fahrt nach Montenegro scheint die drei Frauen ihre Vergangenheit einzuholen - insbesondere, da sie den herzensguten Willi begraben, den einzigen Mann, der sie alle nie enttäuscht hat.

Da die Lebensgeschichten abwechselnd und auf unterschiedlichen Zeitebenen erzählt werden, hat der Roman eine ganz eigene Dynamik mit viel Spannung und einigen Überraschungsmomenten. Da wollte ich irgendwann gar nicht mehr mit dem Lesen aufhören.

Auch Vea Kaisers eigene Interessen fließen in den Roman mit ein, denn Lorenz' Freundin Steffi ist Dozentin für Altertumswissenschaften, und auch Lorenz hat mal Latein studiert. Doch die Vergleiche mit antiken Klassikern und römischen Totenkulten wirken manchmal schon etwas bemüht. Klar, das ist auch Kaisers Markenzeichen (antike Anspielungen findet man schon in Makarionissi), aber es war doch stellenweise etwas gewollt. V.a. da Lorenz eigentlich so gar nicht als überzeugter Altertumswissenschaftler daher kommt.

Nichtsdestotrotz war "Rückwärtswalzer" ein urig-ulkiges Leseerlebnis, das es im Lesesessel ganz wohlig-warm werden ließ. Der Roadtrip ist absolut verrückt und sehr lustig zu lesen, die Geschichten von Hedi, Wetti, Mirl und Willi sind berührend und spannend, der Schreibstil klar und schnörkellos - ein richtig guter Roman.