Die Familie Prischinger und ihre Toten

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petris Avatar

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Auf diesen Roman warte ich, seit ich die letzte Seite des Vorgängerromans „Makarionissi“ gelesen und das Buch zugeschlagen habe. Vea Kaiser kann ganz wunderbar erzählen, liebenswerte, sehr menschliche Charaktere, die, wie im richtigen Leben, auch Vergangenheit und Schattenseiten haben, erschaffen und nebenbei ganz viel Sachwissen unterbringen.

Mit Romanen von Lieblingsautor*innen ist das ja so eine Sache, jedes neue Buch wird erwartet, freudig aufgeschlagen, immer mit ein wenig Angst, dass das heiß ersehnte Buch auch eine Enttäuschung sein kann. Wie groß ist dann die Erleichterung, wenn man auf den ersten Seiten merkt, dass man wieder gefangen genommen wird vom Erzählfluss der Autorin und all das wiederfindet, was man so liebt an ihrem Stil.

So war das auch hier. Ich begann zu lesen und konnte nicht mehr aufhören. Die Geschichte beginnt mit der Gegenwart und Lorenz Prischingers Lebenskrise. Dem arbeitslosen Schauspieler geht das Geld aus, die Freundin ist weg und seine lieben Tanten wollen ihm kein Geld borgen, so vermietet er einfach seine geliebte Wohnung und zieht bei den schrulligen Tanten ein.

Um deren Kindheit und Jugend geht es in einem weiteren Erzählstrang. Der große Bruder der drei Schwestern Hedi, Wetti und Mirl ist Lorenz Vater, der Zwillingsbruder starb als Kind, recht viel mehr erfahren wir am Anfang nicht. Und dann wird auch noch Willis Lebensgeschichte erzählt, er ist in Montenegro geboren, landet auf Umwegen in Wien und ist Hedis Lebensgefährte. Auch er hat in seiner Jugend geliebte Menschen verloren. Und wie das so ist: „Manche Geschichten sind dafür da, dass man sie allen erzählt. Andere, dass man sie nur mit wenigen Menschen teilt.“ So erfahren wir auch hier erst ganz am Schluss, was damals wirklich passiert ist.

Willis Wunsch ist es, in seiner alten Heimat, begraben zu werden. Als er plötzlich stirbt, beschließen die Schwestern, ihm diesen zu erfüllen. Genug Geld für eine offizielle Überführung ist nicht da, also müssen sie ihn selber dorthin bringen. Nachdem keine der drei Auto fährt und Lorenz sowieso gerade nichts zu tun hat, wird er zum Chauffeur bestimmt. Damit beginnt eine abenteuerliche Reise mit so manchen Hindernissen.

Vea Kaiser versteht es hervorragend, diese verschiedenen Handlungsstränge und Zeitebenen zu verbinden, sie breitet Tragisches nicht unnötig aus, nimmt ihm aber auch nicht die Schwere, lustige Episoden erzählt sie mit Leichtigkeit, ohne jemals ins Unwahrscheinliche oder in Klamauk oder Pietätlosigkeit abzudriften. Und die feinen menschlichen Zwischentöne, Beweggründe, Emotionen und Schwächen ihrer Charaktere zeichnet sie in allen Schattierungen, die der Sprache zur Verfügung stehen.

Ich bin begeistert! Rückwärtswalzer zählt schon jetzt für mich zu den Highlights 2019 und wird in die Liste der Lieblingsbücher aufgenommen. Und ab jetzt beginnt das ungeduldige, schmerzliche Warten auf Vea Kaisers nächsten Roman. Ich freu mich schon drauf.