Eine Geschichte voller Geschichten

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druckdeufel Avatar

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Lorenz, ein junger, arbeitsloser Schauspieler mit einem Hang zu überflüssigem Konsum, sieht sich in einer selbstverschuldeten finanziellen Notlage gezwungen, seine Wiener Wohnung unterzuvermieten und bei Mirl, einer seiner drei Tanten, und ihrem Mann Willi einzuziehen.
Diese Tanten haben jede ihre Besonderheit, zusammen sind sie unübertrefflich. Vea Kaiser hat hier ein Trio erschaffen, das von einer skurrilen Situation in die nächste platzt und sich aus so mancher heiklen Lage mit Lebensweisheit, dem richtigen Gespür und vor allem viel und gutem Essen zu retten weiß. Dass das lustig ist, überrascht keineswegs.
Doch da gibt es noch die Rückblenden, die in der Nachkriegszeit ansetzen und Kindheit und Entwicklung der Protagonisten gewidmet sind. In denen ernste, dramatische Dinge passieren und die Basis gelegt wird für alles, was später kommt. Nach und nach erschließen sich Zusammenhänge, aus der Verflechtung von Gegenwart und Vergangenheit erwächst ein Gesamtbild, vieles erklärt sich.
Neben den Tanten und ihrem Neffen begegnen wir weiteren Personen, die sämtlich unverwechselbar gezeichnet sind und ein äußerst lebendiges Ganzes ergeben. Alle finden ihren Platz, jeder hat seine Aufgabe und wird ihr voll und ganz gerecht, ob im Guten oder im Schlechten.
Eine solche Geschichte lebt nicht von ihrer Glaubwürdigkeit. Und doch gerät vielleicht der Umschwung des ichbezogenen, vorteilsbedachten Lorenz´ zum emphatischen, zuverlässigen Neffen zwar nicht unerwartet, aber dennoch zu plötzlich. Es gibt weitere kleine Mängel. So erscheinen einige der Ideen, die hier zuhauf sprudeln, bereits bekannt, bedienen Klischees. Das trifft auch auf die Witze zu, die zudem manchmal in ihrer Derbheit beinahe etwas klamaukig wirken und auf Andeutungen oder andere leise Töne verzichten.
Ganz klar, das ist Jammern auf hohem Niveau. Insgesamt bleibt das Buch in seiner Fülle überwältigend. Bildhaft und lebendig, strotzend vor absurden Aktionen lagert sich das Gelesene unmittelbar als Film im Kopf ein.
Am Ende zeigt sich, wie wunderbar das Ganze angelegt ist: Die losen Fäden der unzähligen Geschichten, die in einem fort eingestreut wurden, finden zusammen und hinterlassen im Nachhinein das Gefühl einer engen Verbundenheit mit den warmherzigen Menschen dieses klugen Romans.