Schatten der Vergangenheit

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bellis-perennis Avatar

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„Rückwärtswalzer“ ist nach "Blasmusikpop" und "Makarionissi" der dritte Roman von Vea Kaiser.

Mittelpunkt dieser montenegrinisch-österreichischen Familiengeschichte ist einer seits der erfolglose Schauspieler Lorenz und andererseits sein plötzlich verstorbener Onkel Willi. Gemäß Willis letzten Willen soll er in Montenegro, seiner alten Heimat, begraben werden. Doch was tun, wenn das Geld für eine ordnungsgemäße Überführung und eine würdevolle Bestattung nicht reicht?

"Würde kostet fast achttausend Euro, Lorenz. Wenn du irgendwann gelernt hättest, wie viel ein Euro wert ist, dann würdest du nicht so groß reden."

Nun sind Kreativität und starke Nerven gefragt. Ersteres ist bei Lorenz und seinen Tanten vorhanden, zweitere flattern mehrfach, als man Willis Leiche tiefgekühlt und illegal mit einem Fiat Panda gegen Südosten bringt.

"Im Grunde argumentierten seine Tanten und Herr Ferdinand wie Antigone: Was ist schon das Gesetz, wenn es darum geht, einem Verstorbenen die letzte Ehre zu erweisen."

Meine Meinung:

Der Roman spielt in mehreren Zeitebenen. Zum einen ist die Familie Prischinger in der Gegenwart vereint. Auf der anderen Seite enthüllen sich auf der über 1.000 km langen Fahrt nach Montenegro die Schicksale, Wünsche und (Alb)Träume der einzelnen Familienmitglieder in der entsprechenden Epoche.
So erfahren wir, dass Willi eigentlich gar nicht so heißt. Oder, warum die drei Schwestern Mirl, Wetti und Hedi die Leben führen, die sie eben führen.
Einige Passagen und Charaktere sind liebevoll überzeichnet. Mit Lorenz selbst konnte ich nicht so richtig warm werden. Im Gegensatz zu seinen Tanten hätte er alle Möglichkeiten eines geordneten Lebenswandels, die er leichtfertig verspielt. Die drei Tanten sind patent und in gewisser Weise schlitzohrig. Dennoch hat jede ein Schicksalspäckchen zu tragen, die eben auf der Autofahrt aufgedeckt wird.

Der Schreibstil ist locker, witzig und geistreich. Es gibt immer wieder Austriazismen und Hinweise, die für Nicht-Wiener ungewöhnlich sind. Das Hin- und Herspringen durch Zeit und Raum ist aber mittels Kapitelüberschriften inklusiver Jahreszahlen leicht möglich. Immer wieder blitzt die humanistische Bildung der Autorin durch, wenn lateinische oder altgriechische Dichter erwähnt werden.
Die Verwandtschaftsverhältnisse der Familie Prischinger sind komplex. Da wäre ein Stammbaum manchmal hilfreich.

Fazit:

Ein gut erzählte Geschichte um den Zusammenhalt in einer Familie. Gerne gebe ich hier 5 Sterne.