Skurrile Familiengeschichte

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emmmbeee Avatar

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Ein neuer Roman von Vea Kaiser liegt vor, und wieder finden sich zwischen den Buchdeckeln eine Reihe irrwitziger Situationen. Die Familienstory ist in mehrere Handlungsstränge gegliedert. Hauptsächlich geht es um die illegale Überführung des toten Onkels Willi von Wien in seine Heimat Montenegro. Sein Neffe Lorenz, ein arbeitsloser Schauspieler, soll dies zusammen mit seinen Tanten in einem Kleinwagen bewerkstelligen.
Doch bis das Grüppchen am Ziel angekommen ist, geht die Autorin in zahlreichen Rückblenden auf die Vergangenheit der Familie ein. Wir werden mit Geschwistern bekanntgemacht, die miteinander durch dick und dünn gehen, und der stetige Refrain lautet: Niemand wird zurückgelassen. Da wuseln im Text viele Namen wild und wirr durcheinander, wobei die teils witzigen Titel der Abschnitte mit ihren Jahreszahlen mehr als nur notwendig sind. Lange fragt sich der Leser: Wer ist eigentlich Susi? Und was ist geschehen mit dem Zwillingsbruder Nenerl?
Es geht um Verlust und um die Schuld daran, welche sich alle drei Schwestern geben, Mirl, Wetti (die eigentlich Barbara heisst) und Hedi. Sie alle haben nicht gefunden, was sie vom Leben erwartet haben. Jede ist auf ihre Art gescheitert, hat aber nie aufgegeben. Und immer mit dabei: die Seelen der Verstorbenen, eben die Manen der Familie Prischinger.
Anfangs kommt der Roman etwas zäh in die Gänge, doch bald heizt Vea Kaiser die Spannung tüchtig an und vermag sie bis zum Schluss zu halten. Wie bei einer Zwiebel häutet sich die Story mit den Kapiteln, nach und nach kommen verdrängte Wahrheiten und immer mehr involvierte Personen ans Tageslicht.
Dazwischen streut Kaiser die jeweilige personelle Regierungsentwicklung, besonders innerhalb der SPÖ, ein. Üppiges Essen ist ein Dauerthema, und wer die ostösterreichische Küche kennt, dem läuft permanent das Wasser im Mund zusammen. Es kommt zu ein paar grotesken Szenen (muss es ja wohl bei der Sachlage), und einige Male habe ich hellauf gelacht.
Auch in Kaisers drittem Roman wird deutlich, dass eine ihrer Vorlieben der Antike gilt. Mir gefällt ihre leichtfüssige, süffige Sprache, die immer wieder Portionen von österreichischem Lebensgefühl offenlegt. Man glaubt kaum, was man liest, und doch ist alles folgerichtig und eigentlich nichts übertrieben. Halb Roadmovie, halb Retrospektive, gewinnt das Buch zunehmend an Tempo und vermag glänzend zu unterhalten.