Tolle Familiengeschichte

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern
sofie Avatar

Von

„Willi runzelte die Stirn. Er lebte seit vierzig Jahren in Österreich, hatte bis auf den Hauch eines scharfen R keinerlei Akzent mehr und blieb dennoch ein jugoslawischer Pessimist, der auf nichts vertraute, was Genosse Tito nicht abgesegnet hatte.“ (S. 21)

Jeder kennt vermutlich dieses Gefühl, dass es einem schwer fällt zu begreifen, dass ältere Verwandte – die eigenen Eltern, Onkel und Tankten – ein Leben hatten, das lange vor der eigenen Geburt anfing. Und man kennt natürlich die Familiengeschichten und vielleicht auch ein paar Familiengeheimnisse, aber was für Menschen die eigenen Familienmitglieder früher waren, was sie wirklich erlebt haben, das ist schwer zu fassen.
Und genau das machte aber Vea Kaiser in diesem tollen Roman „Rückwärtswalzer“. Die Geschichte beginnt zunächst mit Lorzenz, einem mehr oder weniger erfolglosen Schauspieler, und seinen Problemen. Geldprobleme, Frauenprobleme, Jobprobleme. Mit diesen Probleme geht er zu seinen drei Tanten, genannt Mirl, Hedi und Wetti, sowie zu Hedis Lebensgefährten Willi. Und nach und nach erfährt der Leser in Rückblicken das Leben dieser drei Frauen, ihre gemeinsamen Geheimnisse und die Dinge, die sie nicht einmal ihren Schwestern anvertraut haben.
Mir gefallen Romane vor allem dann, wenn sie tolle Figuren und Charaktere haben. Und das gelingt Vea Kaiser einfach grandios. Dabei wachsen einem die drei Tanten – die eben viel mehr sind als einfach nur die Tanten von Lorenz – schnell ans Herz. Die Beschreibungen sind dabei oft witzig, aber nie albern. Zum Beispiel wenn die drei einen Ausflug zum Großmarkt machen und dabei in der Schlange an der Kasse erst einmal ihren Wurstsemmeln auspacken.
Mir hat „Rückwärtswalzer“ wahnsinnig viel Spaß gemacht, es hat mich berührt und ausgesprochen gut unterhalten. Jetzt werde ich mir mal die anderen Bücher der Autorin besorgen. Fünf von fünf Sternen.