Keine leichte Kost

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Dimitrij Kapitelman erzählt in seinem Buch hier über eine ganz persönliche Seite des Krieges zwischen Russland und der Ukraine. In den 1990ern ist er als Kind mit seiner Familie als „jüdischer Kontingentflüchtling“ von Kiew nach Leipzig gekommen. Seine Familie hat einen Laden für russische Spezialitäten eröffnet, wodurch die Verbindung zur Heimat über all die Jahre bestehen blieb. Nicht nur Deutsche kauften hier ein, auch die Nashi, also die anderen Aussiedler. Nach einem Schlaganfall und Corona wurde der Laden geschlossen. Der Beginn des Krieges hat zudem dann alles verändert. Er, der mit ganzem Herzen Ukrainer ist, seine Mutter, die trotz ihrer eigenen Vergangenheit Putinfan ist und sich auf die Seite Russlands schlägt. Kapitelman will seiner Mutter zeigen, was die Wahrheit ist und kommt auf eine gefährliche Idee: Er will mitten ins Kriegsgebiet fahren.

Man muss sich erst einmal an die kreative Sprache gewöhnen. Der Autor hat viele Wortspiele und neue Wortkreationen verwendet, auch eine ganze Menge russischer Ausdrücke nicht übersetzt. Da muss man erst mal reinfinden, um ohne zu stolpern flüssig lesen zu können. Ich liebe Wortspiele, aber in dieser Häufigkeit ist das doch ein bisschen anstrengend. Natürlich kann man hier keine leichte, lockere, fröhliche Lektüre erwarten. Dieses Sprachmodell ist quasi so verwirrend und anstrengend, wie die ganze Situation. Sie spiegelt sie also.

In meiner Kindheit war Russland die Sowjetunion, oder auch UdSSR, irgendwann die ehemalige Sowjetunion, aufgeteilt in 15 einzelne Staaten, darunter eben die Ukraine und Russland. Ruhe ist also hier noch nie gewesen. Ein Durcheinander, das Kapitelman irgendwie tatsächlich in Worte gefasst und in seinem kurzen Buch verdeutlicht hat. Eine Zerrissenheit, die keiner heilen kann.

Das Bewerten dieses Buches fällt mir entsprechend sehr schwer. Ich verstehe, was Kapitelman sagen möchte, aber die Art und Weise ist wirklich schwer zu ertragen und zu erdulden. Dieser Krieg ist so sinnlos, wie alle anderen, so schmerzlich und so endgültig. Das kann man einfach nicht wegleugnen. Dennoch kann ich dem Buch selbst leider nicht mehr als drei Sterne geben. Eben weil es so entsetzlich anstrengt, es bis zum Ende durchzuhalten. Und weil der Klappentext impliziert, dass Kapitelman mit seiner Mutter ins Kriegsgebiet fährt, das stimmt aber eben so gar nicht. Und was die Mutter lernen soll, wenn sie gar nicht dabei ist, erschließt sich mir leider absolut nicht.