sehr persönlich und bewegend

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simonef Avatar

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In „Russische Spezialitäten“ schildert Dmitrij Kapitelman eindrucksvoll seine innere Zerrissenheit angesichts des Ukraine-Krieges. Der Autor selbst ist in Kyjiw geboren und dort russischsprachig aufgewachsen, bevor er im Alter von acht Jahren mit seiner Familie nach Deutschland kam. Dort führte die Familie in Leipzig über 25 Jahre ein Geschäft für russische Spezialitäten.

Seit Beginn des Krieges geht eine Spaltung durch die Familie, engste Freundschaften werden auf die Probe gestellt. Während sich der Autor westlich positioniert, verfolgt seine Mutter russisches Staatsfernsehen und glaubt der russischen Propaganda. Kapitelman spürt, wie sich auch sein Leben durch den Krieg verändert und er nach seiner eigenen Identität sucht, da er seit Kriegsbeginn „weder vollständig lachen noch weinen kann“ (Kapitel „Tate ist noch auf dem Spielplatz“). So fasst er schließlich den Entschluss, trotz der Gefahr nach Kyjiw zu reisen.

Kapitelman erzählt sehr persönlich, pointiert, mit großem Sprachgefühl und einem messerscharfen schwarzen Humor. Trotz des schweren Themas enthält sein Buch auch viele komische Momente.

Mich hat das Buch sehr bewegt und mir noch einmal deutlich vor Augen geführt, wie komplex nicht nur die politischen, sondern auch die zwischenmenschlichen und innerfamiliären Auswirkungen des Ukraine-Krieges sind. Sehr lesenswert!