Ein zeitloser Roman

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Autor Andrej Kurkow präsentiert mit „Samson und Nadjeschda“ weniger einen - wie vom Verlag benannt - Kriminalroman, sondern einen Roman über grundsätzliches Verhalten in schwierigen Zeiten. Die Erwartungshaltung an einen der besten und wichtigsten ukrainischen Autoren ist hoch, sein Werk viel gelobt. In dem Roman geht es auf gut 350 Seiten um Samson, einen jungen Mann, der 1919 seine letzten verbliebenen Angehörigen durch kriegerische Akte verliert. Die Geschichte spielt in Kiew in der Ukraine, einem Land das aktuell brutal vom Agressor Russland angegriffen wird. Auch im Roman spielt ein Krieg bzw. Bürgerkrieg eine wichtige Rolle. Die Handlung ist schnell erzählt. Samson wird bei einem Angriff verletzt, Soldaten werden in seine Wohnung einquartiert, er lernt über seine Hauswirtin Nadjeschda kennen, wird mehr per Zufall bei der Polizei eingestellt und löst einen Kriminalfall.
All das wird wunderbar erzählt, aber die Erwartung an einen Kriminalroman werden nicht erfüllt. Die „Krimihandlung“ wird genutzt, um nach und nach Charaktere einzuführen, die für die Gesamthandlung bedeutsam sind. Es ist mehr ein Gesellschaftsroman, der ein fein gezeichnetes Soziogramm entfaltet. Dies macht den Roman lesenswert und zeitlos. Es geht letztlich um das menschliche Verhalten in schwierigen Situationen. Wer eine Liebesgeschichte oder einen Krimi mit schneller Handlung erwartet, wird hingegen enttäuscht sein. „Samson und Nadjeschda“ ist ein schön geschriebenes, gut lesbares und auf den zweiten Blick tiefgründiges Buch, aber so manch Leser*in wird etwas enttäuscht sein. Die Erwartungshaltung an das im Jahr 2020 (!) geschriebene Buch im Kontext der gegenwärtigen Kriegssituation in der Ukraine (2022) ist sehr hoch.